Julia Extra Band 358
Wunden stets aufs Neue aufgerissen hatte. Ra’id fand das Spielen mit ihr wieder spannender als die Hochzeit und kümmerte sich nicht mehr um das Gerede der Dienerschaft.
Freudig hüpfte er jetzt neben ihr her, als sie zum Swimmingpool ging, folgte ihr jedoch nicht nach draußen, sondern blieb im Fitnessbereich, um eine Runde Squash zu spielen. Alyssa fand so unerwartet die Muße, ungestört ihre Runden zu schwimmen und ihre trüben Gedanken zu verscheuchen.
Was auch in Rosara geschehen mochte, eines war sicher: Lysander wollte nichts mehr von ihr wissen. Diese unabänderliche Tatsache raubte ihr jeden Lebensmut. Auch die bittere Enttäuschung durch Jerry hatte sie nicht auf diesen Schmerz vorbereitet, und die Zukunft schien düster und trist.
Durch Jerrys Seitensprung hatte sie sich hintergangen gefühlt. Jerry hatte sie um eine fantastische Hochzeitsfeier und den Traum von einer glücklichen Familie gebracht. Ihm selbst hatte sie in Wirklichkeit aber keine Träne nachgeweint, denn ihre Gefühle für ihn als Menschen waren nie tief gewesen. Am Tag nach Georgies Tod, als er sie kalt und herzlos aufforderte, sich endlich zusammenzureißen, waren auch die letzten freundschaftlichen Empfindungen für ihn verebbt.
Sosehr sie auch glaubte, einen besseren Mann verdient zu haben, brachte sie im Nachhinein durchaus Verständnis für Jerry auf. Sie beide hatten sich lediglich so verhalten, wie man es in ihren Kreisen von jungen und beruflich erfolgreichen Menschen erwartete; sie wollten heiraten, ein Haus bauen und eine Familie gründen. Sie wollten das tun, was die anderen auch taten.
Als diese Pläne in sich zusammenbrachen wie ein Kartenhaus, war sie enttäuscht gewesen und hatte gelitten, weil sie in ihrem Stolz verletzt worden war. Mit der Trauer und Verzweiflung, die sie jetzt fühlte, weil der Mann, den sie liebte, nichts von ihr wissen wollte, hatte das nichts zu tun gehabt.
Ihre Gefühle für Lysander waren anderer Natur, hier ging es nicht um die Sehnsucht nach einer bürgerlichen Idylle. Er war weder an Ehe noch an Kindern interessiert, das hatte sie von Anfang an gewusst. Lysander war der einfühlsame und geistreiche Partner, von dem sie immer geträumt hatte – und er war ein überwältigender Liebhaber.
Obwohl sie ihre Prinzipien verraten hatte, sie hatte jede Sekunde mit ihm genossen. Dafür bezahlte sie jetzt den Preis. Sie war sehenden Auges in ihr Unglück gerannt – zum Jammern war es nun zu spät.
So vernünftig das alles klang, so schwer war es, sich entsprechend zu verhalten. Lysander wollte sich nämlich nicht aus ihrem Herzen vertreiben lassen. Er hatte ihr zugehört, sie getröstet und war so einfühlsam gewesen, dass sie ihn einfach nicht vergessen konnte. Wie es ihm jetzt wohl ging? Seine Mission bei den Stammesfürsten war zwar erfolgreich gewesen, doch würde er auch heil und gesund den Palast erreichen? Nicht auszudenken, sollte ihm etwas passieren!
Eigentlich betraf sie sein Schicksal ja gar nicht mehr und ihre Sorge um ihn war eine Verschwendung von Gefühlen. Für Lysander war sie lediglich ein Spielzeug gewesen, ein amüsanter Zeitvertreib, während er auf seine standesgemäße Braut wartete.
So weh das auch tat, und so verzweifelt sie im Moment auch war, sie musste sich von der bitteren Enttäuschung erholen. Irgendwann würde sie das bestimmt schon schaffen, denn das Leben ging weiter.
Was jedoch nicht weitergehen würde, war die Affäre mit Lysander. Sollte er nach seiner Rückkehr meinen, er könnte wieder da anfangen, wo er aufgehört hatte, würde er sein blaues Wunder erleben. Um seine Mätresse zu werden, war sie sich zu schade, und das würde sie ihm offen sagen – falls sie je die Gelegenheit dazu bekam.
Das Motorengeräusch eines Ultraleichtgleiters schreckte sie aus ihren Grübeleien auf. Sie wollte zurück in Haus, um Ra’id auf die Attraktion aufmerksam zu machen. Wie sie ihn kannte, würde er davon begeistert sein. Schnell watete Alyssa durch das Wasser zu der breiten Steintreppe und setzte den Fuß auf die erste Stufe. Der mit zwei Männern besetzte Gleiter kreiste extrem tief, er schien die Wipfel der Bäume im Park fast zu berühren. Ärgerlich hob Alyssa den Kopf, als einer der Männer ihr etwas zurief, und blickte genau in die Linse eines riesigen Teleobjektivs.
So schnell sie konnte, eilte sie ins Haus, um Ra’id daran zu hindern, nach draußen zu laufen. Doch das Unglück ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Die Medien konnten nur aus einem
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