Julia Extra Band 358
Rosara, zu einem offiziellen Staatsbesuch, gleich nächste Woche, wenn Onkel Lysander wieder zu Hause ist.“
„Lysander … heiratet?“ Alyssa brachte die Worte nur mit Mühe über die Lippen.
„Das erzähl ich dir doch schon die ganze Zeit.“ Ra’id hopste immer noch wie ein Gummiball auf dem Sofa hin und her. „Jeder weiß das!“
„Ich nicht.“ Wie konnte sie nur so blind und taub gewesen sein?
„Vielleicht, weil es schon so lange her ist.“ Endlich setzte Ra’id sich hin, um ihr seine Version der Geschichte anzuvertrauen.
„Alle dachten, ich würde spielen und nicht zuhören. Mein Vater hat zu Onkel Lysander gesagt, dass Peronelle eine ausgezeichnete Abstammung hat – obwohl ich nicht weiß, was da heißt. Onkel Lysander hat dann gesagt, das hätte den Männern in unserer Familie bisher kein Glück gebracht. Außerdem sei Peronelle nicht mehr als … als …“ Angestrengt nachdenkend runzelte er die Stirn. „Als eine Kleiderpuppe“, ergänzte er schließlich triumphierend.
Es handelte sich also um eine alte Vereinbarung. Lysander hatte von seiner versprochenen Braut gewusst, als er sie zum Palais der Königin entführte.
Alyssa war nicht fähig, den Gedanken zu Ende zu denken. Sie kannte den Typ Frauen, den Lysander bevorzugte, aus den Medien – und das zur Genüge. Trotzdem, und obwohl es nur schmerzen würde, musste sie mehr über seine Auserwählte erfahren.
„Wie ist Peronelle?“
Der Nachrichtensprecher wechselte das Thema, und Ra’id suchte nach der Fernbedienung. Erst als er sie schließlich gefunden und den Apparat ausgeschaltet hatte, beantwortete er Alyssas Frage.
„Die Prinzessin? Nicht so nett wie du.“
Armer Ra’id! Alyssa schluckte. „Kennst du sie denn?“
„Sie ist einmal im Palast an mir vorbeigegangen, ihr Seidenrock hat geknistert, und sie hat noch schöner geduftet als mein Schaumbad. Gesprochen hat sie nicht mit mir, doch ihre Dienerinnen haben sich mit mir unterhalten und mir so viele Süßigkeiten gegeben, wie ich nur wollte: Marzipan, Nugat, einfach alles. Dann, beim Festessen, wurde mir plötzlich schlecht, und ich musste mich übergeben – auf meinen Teller. Die Prinzessin hat geschrien und ist weggelaufen.“
Für einen kurzen Moment vergaß Alyssa ihren Kummer und lächelte schadenfroh. Doch dann traf sie die Ungeheuerlichkeit des Geschehens mit ganzer Wucht, und sie schlug die Hände vors Gesicht. Lysander hatte sie verführt, obwohl seine Braut von königlichem Geblüt schon auf ihn wartete! Kein Wunder, dass er sie umgehend nach England geschickt hatte, anstatt mit ihr zu reden – der Mohr hatte seine Schuldigkeit getan.
Trotz ihrer Verzweiflung bemühte sie sich auch jetzt noch, objektiv zu bleiben. Es war ein Fehler, jemanden zu sehr zumögen, das hatte Georgies Tod sie gelehrt. Warum war sie trotzdem ein zweites Mal in die Falle gelaufen?
Lysander war unbestreitbar ein Herzensbrecher, gut aussehend, geistreich und charmant – und sie war auf ihn hereingefallen.
„Was ist los? Hast du Schmerzen?“ Verwundert sah Ra’id sie an.
Sie nickte.
Dass es sein Onkel Lysander war, der ihr die Schmerzen verursachte, brauchte der Kleine nicht zu wissen.
10. KAPITEL
Alyssa konnte dem Gerede nicht entfliehen. Die Angestellten in Combe House kannten nur noch ein Thema – die bevorstehende Hochzeit im Königshaus. Sämtliche Tageszeitungen und Illustrierten wurden abonniert und alle, außer Alyssa, stürzten sich darauf, um ja nicht die kleinste Neuigkeit zu verpassen.
Die Zeremonie sollte in der großen Kapelle des Rosenpalasts stattfinden, wer genau von all den Berühmtheiten aus Hochadel und Medien eingeladen werden sollte, stand aber noch nicht im Einzelnen fest. Auch war noch kein Designer auserkoren, der das Hochzeitkleid liefern sollte, und über die genaue Menüfolge wurde auch noch gerätselt.
Ra’id war so aufgeregt, dass er über nichts anderes reden konnte. Zusammen mit seinen Leibwächtern und dem Butler hatte er beschlossen, den Pagen zu spielen und das Kissen mit den Ringen zum Altar zu tragen. Doch als die Haushälterin ihm die offiziellen Hochzeitsfotos von Ra’ids Eltern zeigte, erhielt seine Begeisterung einen vernichtenden Dämpfer. Entsetzt betrachtete er die Frisur und den spitzenbesetzten und mit Schleifen verzierten Samtanzug mit Kniehosen, die das Protokoll einem Pagen vorschrieben.
Schlagartig interessierte ihn die Feier nicht mehr und Alyssa hatte ihre Ruhe vor seiner überschäumenden Begeisterung, die ihre
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