Julia Extra Band 359
es.“
„Zum Beispiel eine Mutter, die sich mit den Ersparnissen ihrer Tochter aus dem Staub gemacht hat.“
Er nickte. „Oder ein Vater, der seine Familie hintergeht, indem er sich eine Geliebte nimmt.“
Dies war sowohl für ihn als auch für sie die Chance, sich für die Vergangenheit zu rächen. Sie waren beide manipuliert und in gewisser Weise betrogen worden. Von den Menschen, die ihnen eigentlich in Liebe verbunden sein sollten.
Sie verdienten es, diesmal zu gewinnen.
„Sie … halten das alles schriftlich fest, richtig?“ Allzu schmerzlich hatte Noelle erfahren müssen, dass sie selbst ihrer Mutter nicht glauben konnte. Deshalb würde sie bestimmt nicht den Fehler machen, diesem Mann zu vertrauen, den sie gestern erst kennengelernt hatte.
„Wir machen einen Ehevertrag. Natürlich werden die besonderen Umstände dieser Verbindung nicht erwähnt, weil wir das nicht öffentlich machen wollen. Aber das Haus wird Ihnen gehören, sobald Sie die Heiratsurkunde unterschrieben haben, und das Geld bekommen Sie nach der Scheidung.“
„Sie haben das alles sehr gut durchdacht.“
„Ich habe die Papiere, die den Kauf des Anwesens betreffen, schon vorbereitet. Ich überschreibe es Ihnen wieder, sobald Sie das Ehegelübde gesprochen haben.“
„Und der Ehevertrag?“
„Mein Anwalt kann ihn bis morgen fertig haben.“
Sie fühlte sich völlig benommen. In ihrem Leben hatte es für lange Zeit Stillstand gegeben. Nur an den monatlichen Forderungen der Bank in ihrem Briefkasten hatte sie gemerkt, dass die Zeit verging. Jetzt hatte sie das Gefühl, ein Licht am Ende des Tunnels sehen zu können – wo vorher nichts als entsetzliche Dunkelheit gewesen war.
„Na gut“, hörte sie sich sagen. Ihr war, als schwebte sie über der Szene und würde einer Fremden zusehen.
Sicher, all das schien unwirklich, aber es erfüllte sie auf seltsame Weise auch mit Hoffnung.
Und dass sie Hoffnung empfand über eine Ehe mit einem Mann, den sie weder kannte noch liebte, sagte einiges über ihre traurigen Verhältnisse aus.
„Wir sehen uns dann morgen“, meinte er.
„Bei Ihnen oder bei mir?“ Sie zwang sich ein Lachen ab.
Etwas Dunkles leuchtete in seinen Augen auf. „Ich würde sagen, bei Ihnen, weil das der Ort ist, der uns zusammengeführt hat.“
3. KAPITEL
Ethan hörte das Klavier, als er zu der großen Eingangstür ging. Es war keine Melodie, sondern immer die gleiche Tonfolge in streng kontrollierter Perfektion. Ein Rhythmus, der mehr an ein Militärmanöver als an Musik erinnerte.
Diese Art von Disziplin hätte er nicht mit ihr in Verbindung gebracht. Sie sah ihrer Mutter sehr ähnlich, und in seiner Erinnerung war Celine Birch eine Wolke von Parfüm, umweht von hauchdünnen Kleidern. Elegant, sogar schön – auf den ersten Blick. Es hatte eine Weile gedauert, bis ihm klar wurde, wer sie wirklich war: die Geliebte seines Vaters. Nein, mehr noch: Sie war die Frau, die Damien Grey mehr liebte als seine Familie. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie vor seiner Ehefrau zu verstecken.
Ethan biss die Zähne zusammen, dann klopfte er fest an die Tür. Die Klavierübungen gingen weiter. Als er den Knauf drehte, sprang die Tür auf. Er folgte den Klängen, durchquerte die marmorne Eingangshalle und betrat schließlich den Salon.
Das einzige Licht in dem Raum spendeten die Sonnenstrahlen, die durch zwei große Fenster fielen.
Und dann entdeckte er Noelle. Sie saß am Flügel, doch ihr Blick war nicht auf die Tasten gerichtet, während sie wieder und wieder die gleichen Töne spielte. Die Sonne ließ ihr Haar wie goldenes Feuer erstrahlen und umgab sie gleichsam mit einem Heiligenschein. Wie konnte dieses engelsgleiche Wesen, das ihm nie auch nur einen lüsternen Blick zugeworfen hatte, sein Blut derart in Wallung bringen?
Als sie ihn plötzlich mit riesengroßen Augen entdeckte, verstummte die Musik abrupt. „Ethan.“ Sie erhob sich und kam um den glänzend weißen Flügel herum.
„Bin ich zu früh?“, fragte er, obwohl er wusste, dass es nicht so war.
„Ich …“ Suchend schweifte ihr Blick durch den Raum. „Ich habe hier keine Uhr.“
„An was arbeiten Sie gerade?“
Sie steckte sich eine schimmernde Haarsträhne hinters Ohr. „Ach, nichts. Das sind nur Geschicklichkeitsübungen für meine Finger.“
„Üben Sie jeden Tag?“
„Ja.“
„Ich dachte, Sie hätten mit der Musik aufgehört.“
Sie hob die Schultern. „Ich habe ja sonst keine Beschäftigung.“
Er trat zu dem
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