Julia Extra Band 359
zurückzubekommen. Die Bank würde sie auch nicht mehr mit Anrufen oder Briefen belästigen. Und sie könnte ihrer Mutter zeigen, dass sie gewonnen hatte.
„Damit wir uns besser kennenlernen, stelle ich Ihnen ein paar Fragen, und Sie werden mir ehrliche Antworten geben.“
Noelle blinzelte, verwirrt über den Themenwechsel. „Soll das ein Vorstellungsgespräch werden?“
„So würde es jeder gute Geschäftsmann machen.“
Sein forschender Blick behagte ihr ganz und gar nicht.
„Ich weiß, dass Sie noch nie verheiratet waren“, sagte er. „Gibt es denn einen Mann in Ihrem Leben? Einen Liebhaber?“
Beinahe hätte sie gelacht. Wo hätte sie denn einen Liebhaber unterbringen sollen? In ihrem Koffer, während sie unterwegs waren? Ihre Mutter hätte so etwas nie erlaubt. Und jetzt … Nun, sie würde sicher keinen Mann in ihr großes leeres Haus einladen und ihm bei einem Drink erzählen, dass sie vor dem Nichts stand.
„Im Moment nicht“, erwiderte sie trocken.
„Gut. So sollte es auch für die Dauer unseres Arrangements bleiben. Um den Anschein zu wahren.“
„Ich denke, das bekomme ich hin.“
Bestätigend kräuselte er die Lippen. „Wunderbar.“
„Und ich bekomme mein Haus.“
„Und noch einiges mehr.“
„Was denn noch?“, fragte sie und hasste sich für ihren Übereifer.
„Nach der Scheidung erhalten Sie eine Abfindung von mir, als Ausgleich für den ganzen Medienrummel, den unsere Verbindung hervorrufen wird. Ich nehme an sehr vielen Veranstaltungen teil, und als meine Verlobte begleiten Sie mich natürlich.“
Noelles Gedanken kreisten. Partys, Menschen, Kameras. Luxus! All das, was sie nicht mehr hatte und schmerzlich vermisste – jetzt bekam sie die Chance, es zurückzugewinnen. Die Sehnsucht, die sie in sich spürte, war wie ein großes, dunkles Loch, das nach Erfüllung schrie.
Es klopfte leise an der Tür, und Christophe kam mit dem Latte in der Hand herein. Der große, hellbraune Becher erschien ihr wie ein Rettungsanker. Sie hatte sich schon seit Langem keinen Kaffee mehr gekauft, selbst nicht für ihre Maschine zu Hause.
Vorsichtig nahm sie den Becher in beide Hände und wärmte sich daran. „Danke“, murmelte sie, und ihre Kehle war erneut wie zugeschnürt.
Christophe lächelte, ehe er verschwand.
Sie nahm einen Schluck und war entsetzt, dass ihre Augen feucht wurden. Hastig blinzelte sie die Tränen fort, während sie sich mit der warmen, tröstlichen Flüssigkeit beruhigte.
Schließlich setzte sie den Becher ab und sah versonnen auf den Sahnewirbel, der auf dem Kaffee schwamm.
„Es wäre also eine Ehe, die nur auf dem Papier existiert, aber nichts … nichts Dauerhaftes oder Körperliches“, wiederholte sie seine Worte.
„Ganz genau. Niemand muss von den besonderen persönlichen Umständen wissen, auch mein Vater nicht. Aber es ist zwingend erforderlich, dass wir kirchlich heiraten.“
Sie nickte. Seltsam, an eine Hochzeit hatte sie noch nie gedacht, obwohl sie schon auf vielen aufgetreten war. Aber all die Jahre hatte sie sich nur auf eines konzentriert: komponieren, üben, auftreten … Sogar in ihren Träumen hatte sie Noten gesehen. Klaviermusik war ihre ganze Leidenschaft gewesen, der Motor, der sie antrieb. Und wenn er mal schwächer geworden war, hatte ihre Mutter sie immer wieder gedrängt, weiterzumachen.
Dass sie jetzt so nüchtern dachte, war in gewisser Weise gut, weil sie eine Hochzeit nicht mit Romantik verband. Eine Hochzeit war … nun ja, nichts als ein Abkommen. Ein nervöses Prickeln durchfuhr sie. Warum sollte sie es nicht tun? Es war doch nur ein weiterer Auftritt, so wie früher. Auf der Bühne hatte sie immer die Gelassene, Fröhliche verkörpert, egal, ob sie mit ihrer Mutter gestritten oder zehn Minuten vor dem Konzert von ihr einen Schlag ins Gesicht bekommen hatte. Dann hatte sie schlicht noch eine weitere Schicht Puder aufgelegt und war mit aufgesetztem Lächeln auf die Bühne gegangen.
„Es ist nur ein vorübergehendes Arrangement. Ein lukratives Geschäft sozusagen.“, raunte er.
„Und … und wir würden ausgehen, zu Partys und ähnlichen Veranstaltungen?“ Es beschämte sie, dass sie so dringend wieder im Licht der Öffentlichkeit baden wollte. Aber dieses Gefühl war mit nichts zu vergleichen. Die Menge gab ihr die Illusion, ein Teil des Ganzen, wichtig und geliebt zu sein.
„So ist es. Und wir müssten zumindest den Anschein erwecken, als wären wir frisch verliebt.“
„Es gibt sicher Schlimmeres.“
„So ist
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