Julia Extra Band 359
Rachel es trotzdem.
„Ich habe Dad von der Scheidung und deiner Wohnungssituation erzählt.“
„Dad?“ Rachel war erstaunt. „Wann und wo hast du ihn denn gesehen?“
Das letzte Mal hatten sich ihre Wege gekreuzt, als er vor zwei Jahren aus Florida nach Rochester zurückgezogen war. In Florida hatte er als Immobilienmakler gearbeitet. Der perfekte Beruf für ihn, wie Rachel fand. Falls jemand unattraktives Sumpfland für viel Geld verkaufen konnte, dann Griff Preston. Er hatte versprochen, in Kontakt zu bleiben, was er jedoch nicht getan hatte. Keine große Überraschung.
„Heute. Ausgerechnet bei der Arbeit. Er ist zum Mittagessen reingekommen und hat sich in meinen Servierbereich gesetzt.“ Heidi jobbte in einem privaten Golfclub als Kellnerin und manchmal auch als Barfrau. Selbst wenn der Platz im Winter geschlossen war, blieb das Clubhaus ein bevorzugter Treffpunkt für reiche Geschäftsleute. „Zu Anfang hat er mich noch nicht mal erkannt.“
Heidi lachte. Das war ihre Art. Leben und leben lassen. Rachel dagegen war erbost. Welcher Vater würde seine eigene Tochter nicht erkennen?
„Ist er allein gewesen?“
„Nein, er hatte eine Begleiterin.“
Auch das war keine große Überraschung. Ihr Vater hatte ihre Mutter wegen einer anderen Frau verlassen, obwohl er nie wieder geheiratet hatte. Die erste Affäre damals war nicht von langer Dauer gewesen, aber seitdem hatte es ihm nie an weiblicher Gesellschaft gefehlt. Je älter er wurde, desto jünger und billiger erschienen die Frauen an seiner Seite.
„Lass mich raten. Mitte dreißig und blond?“, meinte Rachel, die einen Teebeutel in ihren Becher mit heißem Wasser tauchte.
„Nee, diesmal eine Rothaarige, und ich schätze, sie ist jünger als du.“
Rachel hielt das Telefon ans andere Ohr. Matthew, Tony und jetzt auch noch ihr Vater. Waren denn alle Männer mit so viel jüngeren Frauen zusammen?
„Irgendwelche Tattoos?“
„Eine rote Rose auf dem Nacken und ein paar andere, die ich unter den Blusenärmeln nicht genau erkennen konnte. Ich wette, sie hat noch mehr. Ihre Mutter hat ihr anscheinend nicht dasselbe gepredigt wie unsere.“
„Alles, was mit zwanzig auf deiner Hüfte sitzt, rutscht dir mit fünfzig über den Po, und wo es landet, wenn du siebzig bist, willst du gar nicht wissen“, zitierte Rachel, und beide lachten.
„Du bist also nicht sauer?“, fragte Heidi.
„Es gefällt mir nicht, wenn er über mich Bescheid weiß“, erwiderte sie. „Dazu hat er schon lange kein Recht mehr.“
Im Großen und Ganzen teilte Heidi diese Meinung. Doch wenn Griff sein schlechtes Gewissen damit beruhigen wollte, dass er seinen Töchtern gelegentlich Geld oder Geschenke zukommen ließ, warum nicht? Da sollte man nehmen, was man kriegen konnte. Das war er ihnen schließlich schuldig.
„Er wird dich anrufen“, meinte sie.
„Wozu?“
„Er hat einen Freund, dem ein Komplex mit Reihenhäusern gehört. Bei einem davon wurde eine Zwangsvollstreckung durchgeführt, und der Typ hat es zu einem Spottpreis zurückgekauft. Es steht leer, bis einige Modernisierungsarbeiten daran gemacht werden können, um es wieder zu verkaufen. Du müsstest noch nicht mal was dafür bezahlen.“
„Nein“, lehnte Rachel rundheraus ab.
„Wieso denn nicht? Damit wäre doch dein dringendstes Problem gelöst“, widersprach Heidi. „Wenn du weder bei mir noch bei Mom wohnen willst, musst du sonst irgendwo anders was mieten, bis das Apartment über deinem Laden so weit ist.“
Rachel konnte sich ohnehin kaum den Ausbau leisten. Aber sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass es langfristig sinnvoller war, eine Wohnung zu haben, die ihr ein zusätzliches Einkommen bringen würde, als etwas zu mieten. Jetzt jedoch musste sie sogar zweimal umziehen und in der Zwischenzeit auch noch Miete zahlen.
Aber sie blieb hart. „Ich will keine Hilfe von Dad.“
„Aber du kannst sie für deine Zwecke nutzen“, wandte Heidi ein. „Wenn er helfen möchte, lass ihn doch.“
„Hat er irgendwas zu meiner Scheidung gesagt?“ Da ihre Schwester schwieg, hakte Rachel nach. „Also?“
„Bloß, dass es ihn nicht überraschen würde. Er meinte, er hätte von Anfang an gewusst, dass Matthew nicht der richtige Mann für dich ist.“
Rachel ärgerte es, dass ihr Vater recht hatte. Schon vor seiner Untreue hatte sie gewusst, dass ihre Ehe mit Matthew keineswegs perfekt war. Aber sie war ihr zumindest besser vorgekommen als die ihrer Eltern. Männer wie Griff waren Fremdgänger.
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