Julia Extra Band 359
besuchen.“
„Waren Sie schon mal in Italien?“
„Nur zwei Tage in Rom. Mit ein paar Freunden, nach dem College-Abschluss. Wir sind als Rucksacktouristen in zwei Wochen durch fünf Länder gereist.“
Ihr Vater hatte angeboten, als Examensgeschenk das Flugticket zu bezahlen, da er es nicht geschafft hatte, an der Feier teilzunehmen. Doch Rachel hatte seinen Brief und den beiliegenden Scheck zerrissen. Heidi dagegen hatte Griffs finanziellen Beitrag zu ihrem College-Abschluss gerne in Anspruch genommen und sich davon ein Wochenende in einem Luxushotel an der französischen Riviera gegönnt.
„Beim nächsten Mal müssen Sie sich unbedingt Florenz und Venedig ansehen, und natürlich Mailand. Ich würde gerne als Ihr Reiseführer fungieren.“ Tony nahm sich ein dickes Stück Brot, das er großzügig mit cremiger Butter bestrich. Nachdem er einen Bissen gegessen hatte, meinte er: „Ich werde Ihnen die besten Hotels und Restaurants nennen.“
„Das ist sehr liebenswürdig“, erwiderte Rachel höflich. Allerdings bezweifelte sie, dass sie sich diese leisten konnte. „Ich wollte schon immer mal nach Venedig.“
„Wegen der Glaskünstler“, vermutete er.
„Ja. Ich habe gelegentlich Glasperlen aus Murano in meinen Arbeiten verwendet. Die leuchtenden Farben kommen sehr gut an.“
„Sie müssen sich Zeit nehmen. Für sich selbst und für Ihre Kunst“, erklärte Tony. „Kreativität braucht Nahrung.“
„Nun, ich fürchte, eine solche Reise wird noch lange auf sich warten lassen. Der größte Teil meiner Zeit und meiner finanziellen Mittel fließt in mein Geschäft.“
Er legte das Brot zur Seite. „Ist das Ihr Traum, Rachel? Einen Laden zu betreiben und ein bisschen Schmuckdesign zu machen, während Sie hauptsächlich die Arbeiten anderer Leute verkaufen?“
„Ich liebe meinen Laden“, fing sie an.
„Aber ist das Ihre Leidenschaft? Ihr Traum?“, wiederholte er.
Sie schüttelte den Kopf. „Der Laden erlaubt mir zu träumen. Aber Ladenbesitzerin zu sein, ist nicht mein Traum.“
„Schmuck zu entwerfen, das ist Ihre Leidenschaft.“ Tony lächelte befriedigt. „Sie sind es sich schuldig, diese Leidenschaft mit voller Kraft zu entwickeln.“
„So einfach ist das leider nicht.“
„Wollten Sie schon immer Schmuckdesignerin werden?“
„Ja und nein. Ich habe bereits als junges Mädchen Skizzen in Notizbüchern gezeichnet. Aber als ich zum College ging, fand ich es sinnvoller, einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften zu machen.“ So hatte sie Matthew kennengelernt, da sie zunächst beide bei derselben Bank gearbeitet hatten.
„Eine Künstlerin, die was von Zahlen versteht“, sagte er.
„Ja, ich habe praktisch gedacht. Ich musste mein Studiendarlehen zurückzahlen, und ich wollte unbedingt eine eigene Wohnung haben, obwohl ich auch wieder bei meiner Mutter hätte einziehen können.“ Rachel lachte ironisch. „Zehn Jahre später, und ich stehe vor genau demselben Problem.“
Der Kellner brachte ihnen die Getränke und noch einen Korb mit warmem Brot. Tony hatte ein Glas Rotwein bestellt, Rachel dagegen ungesüßten Eistee.
Prüfend sah Tony sie an. „Dann wissen Sie jetzt nicht, wo Sie hinsollen?“
„Das klingt etwas zu dramatisch. Ich komme schon klar.“
Beim Essen unterhielten sie sich über alle möglichen Themen, und währenddessen setzte sich eine Idee bei Tony fest.
Er mochte Rachel. Sie war klug, vernünftig und dennoch rätselhaft. Eine sehr attraktive Frau, verborgen hinter einem unauffälligen Äußeren. Gleichzeitig aber auch eine äußerst begabte, kreative Künstlerin. Das zeigte sich in ihren Arbeiten. Nach Tonys Ansicht wurde ihr Talent in dem kleinen Laden vergeudet. Mit etwas Unterstützung und den richtigen Beziehungen könnte sie sich in New York, London oder Rom einen Namen machen.
Im Gegensatz zu den Künstlern, die er sonst kannte, war sie weder launisch noch extravagant noch betont sexy. Sie kleidete sich so schlicht wie eine Buchhalterin und trug kaum irgendwelchen Schmuck. Abgesehen von ihrem Ehering, der nun auch fehlte.
Sie wirkte, als hätte sie wenig Spaß am Leben. Das machte sie zu einer Herausforderung. Und Tony hatte Spaß an Herausforderungen.
„Stimmt was nicht mit Ihrem Steak, Tony?“
Sein Teller war noch unberührt.
„Nein, es ist ausgezeichnet.“ Er schnitt ein Stück perfekt gebratenes Steak ab, das ihm wie Butter auf der Zunge zerging. „Und wie ist Ihr Fisch?“
„Köstlich.“ Rachel aß gegrillten Wolfsbarsch. Zu Tonys
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