Julia Extra Band 359
Ehe geschieden.“
„Nicht, wenn man sein Ehegelübde ernst nimmt“, entgegnete sie. „Ist sie katholisch?“
„Keine Ahnung. Ihr Glaube ist in unseren Gesprächen nicht aufgetaucht, da es dabei meistens um etwas Geschäftliches ging“, betonte er.
Lucia stieß ein schnelles Gebet an die Heilige Muttergottes aus, ehe sie jammerte: „Oh, Tony! Wenn sie katholisch ist, lebst du in Sünde mit einer geschiedenen Frau!“
Er sah förmlich vor sich, wie sie sich bekreuzigte.
„Mamma, ich lebe nicht mit Rachel zusammen“, sagte er geduldig. „Ich bin in Rom, und Rachel wohnt in meinem Haus. Du hast sicher bemerkt, dass sich ihre Umzugskartons im Gästezimmer befinden. Weil sie nämlich mein Gast ist.“
Daraufhin wirkte seine Mutter zumindest etwas besänftigt. „Ja, ich habe gesehen, dass ihre Kartons im Gästezimmer stehen.“
„Du verstehst es also?“ Er entspannte sich, jedoch zu früh.
„Ich bin nicht dumm, Tony. Die Kartons sind zwar im Gästezimmer, aber sie ist in deiner Badewanne! Jedenfalls war sie das, als ich vorhin da war. Und sie war nackt!“
„Hätte sie vielleicht einen Badeanzug anhaben sollen?“
„Werde nicht frech zu mir, Antonio Rafael!“ Auch wenn er ein erwachsener Mann war, duldete Lucia keine Widerworte. „Und wenn sie ein Gast ist, weshalb liegt sie dann in deiner Wanne, hm? Erklär mir das.“
„Weil die schöner und größer ist. Außerdem gibt es da einen Kamin und Musik.“
„Du hast auf alles eine Antwort“, murrte sie. „Genau wie als kleiner Junge. Du warst schon immer gut darin, dich aus jeder Situation rauszureden.“
Sie seufzte, ein Zeichen dafür, dass sie für den Moment aufgegeben hatte. Allerdings würde sie mit Sicherheit wieder auf das Thema zurückkommen. Sie konnte so hartnäckig sein wie ein Pitbull.
„Wo ist Rachel jetzt?“, fragte er.
„Woher soll ich das wissen? Ich hab sie in Ruhe gelassen.“
„Aber du bist noch bei mir zu Hause.“
„Ja, unten in deiner Küche, wo ich deinen schicken Herd benutze. Ich mache Marinara-Soße. Du hast hier mehrere dicke Tomaten, die unbedingt verarbeitet werden müssen. Außerdem habe ich deine Nudelmaschine rausgeholt. Es war zwar eine dicke Staubschicht drauf, aber ich denke, sie funktioniert noch.“
Tony musste lächeln. Immer wenn seine Mutter sich über etwas aufregte, fing sie an zu kochen. Nach dem Tod seines Vaters hatte sie eine Woche lang so viel Pasta und Soße zubereitet, dass man ganz Florenz damit hätte versorgen können. Obwohl er damals noch ein Junge gewesen war, erinnerte Tony sich noch gut an ihre Trauer und seine Hilflosigkeit, dass er sie nicht trösten konnte.
Jeder hatte zu ihm gesagt: „Du bist jetzt der Mann im Haus, Antonio.“
Männer brachten Dinge in Ordnung. Doch das Herz seiner Mutter schien nicht mehr zu heilen. Dann war Paolo Russo gekommen. Tony mochte seinen Stiefvater, vor allem deshalb, weil er Lucia wieder zum Lachen gebracht hatte.
„Sie ist zu mager“, meinte seine Mutter jetzt.
Sie hatte recht. Schon immer sehr schlank, war Rachel mittlerweile noch dünner geworden. Vermutlich wegen der emotionalen Turbulenzen in ihrem Leben.
„Alle Frauen, mit denen du zusammen bist, sind zu mager. Jedenfalls nach den Bildern zu urteilen, die ich von ihnen gesehen habe. Bilder, Antonio! Sie werden mir ja nie vorgestellt. Seit Kendra.“
„Du weißt genau, warum“, erwiderte er leise.
Lucia murmelte irgendetwas Unverständliches.
„Bleib nicht zu lange, Mamma. Und mach es dir bitte nicht zur Gewohnheit, einfach unangekündigt vorbeizukommen. Rachel ist mein Hausgast und hat ein Recht auf ihre Privatsphäre. Was wolltest du überhaupt bei mir?“
„Ich wollte deinen Kühlschrank sauber machen. Dabei habe ich die wunderbaren Tomaten gefunden, die sonst bald schlecht geworden wären.“
„Ich habe Leute, die meinen Kühlschrank reinigen können.“
„Ja, aber du hast auch eine Mutter, die das gerne tut.“
Und es wahrscheinlich als eine gute Gelegenheit ansah, ein bisschen herumzuschnüffeln.
„Also, was willst du kochen?“
„Lasagne. Ich bin gerade dabei, die Soße zu machen.“
Die Pasta sollte auch frisch zubereitet werden. Tony stöhnte innerlich. Lucia würde Stunden in seinem Haus verbringen.
Rachel ging zwischen den Umzugskisten in ihrem Zimmer hin und her und überlegte, was sie tun sollte. Sie wusste nicht genau, um wen es sich bei der Frau handelte, die ins Badezimmer hereingeplatzt war. Mit einem erschrockenen Schrei hatte Rachel die
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