Julia Extra Band 361
…
Unser erster Gast ist da. Sie heißt Caro Franklin und hat einen dreijährigen Sohn. Sie hatte solche Sehnsucht nach ihm, dass sie durch einen Schneesturm gefahren und mit dem Auto von der Straße abgekommen ist.
Er hörte auf zu schreiben und sah aus dem Fenster. Sie hatte außerdem noch einen Ehemann, nach dem sie keine Sehnsucht hatte. Dennoch kehrte sie zu ihm zurück. Sie war verheiratet und hatte von ihrem Mann getrennt gelebt, allerdings sagte sie, dass sie sich nicht scheiden lassen wolle. Und sie sagte, dass ihr Mann sie beeinflussen wolle. Jakes erster Eindruck war gewesen, dass Caro verzweifelt war. Was mochte dahinterstecken?
Als Caro die Küche betrat, waren Doreen und Bonnie gerade dabei, Kartoffeln zu schälen. Die Vorbereitungen für das Osteressen waren im vollen Gange. Aber das war nicht der Grund, warum Caro so verlegen war.
„Guten Morgen“, sagten die beiden Frauen im Chor.
„Guten Morgen.“
Natürlich konnten die beiden nicht wissen, was in der Nacht zuvor geschehen war. Dennoch hatte Caro das Gefühl, die Wörter „Ich habe Jake geküsst“ stünden ihr auf die Stirn geschrieben.
„Haben Sie Hunger?“, fragte Doreen.
„Ein bisschen.“
Die ältere Frau legte den Sparschäler beiseite. Sie wischte sich die Hände am Geschirrtuch und fragte: „Was essen Sie denn gern zum Frühstück? Wir haben Eier und Speck, Toast oder ein Stück Osterbrot, falls Sie lieber etwas Süßes mögen.“
„Osterbrot klingt gut.“
Bevor Caro zur Anrichte gehen konnte, um sich ein Stück von dem Brot abzuschneiden, hatte Doreen bereits das Messer genommen.
„Bitte lassen Sie mich das machen“, sagte Caro.
„Unsinn. Sie setzen sich hin.“ Doreen wies mit der Hand zu einem Stuhl. „Sie sind schließlich Gast.“
„Sie gehorchen jetzt besser“, lachte Bonnie.
„Ja, Bonnie hat ein paar Jahre gebraucht, bis sie soweit war“, neckte Doreen sie. „Doch da gehörte sie bereits zur Familie, und die Familie muss bei mir mithelfen.“
Beide Frauen kicherten. Caro war etwas neidisch auf das gute Verhältnis. Die beiden wirkten eher wie zwei gute Freundinnen. Mit ihrer eigenen Schwiegermutter war die Situation immer angespannt. Caro und Susan lachten nie zusammen. Meistens fand Susan etwas auszusetzen, selbst an ihrem Enkelsohn.
Wird es nicht Zeit für einen Haarschnitt?
Sein Gesicht sieht rot aus. Hast du ihn auch ausreichend eingecremt, bevor ihr an den Strand gegangen seid?
Du musst wirklich aufpassen, dass er nicht so viele Süßigkeiten isst!
Wahrscheinlich hatte Susan ihm zu Hause längst die Ostereier wieder weggenommen.
Irgendwo im Gasthof hörte sie plötzlich leise Kinderschreie und das Geräusch laufender Füße.
„Wie viele Ostereier Dean ihnen wohl noch erlaubt hat, nachdem ich gesagt habe, dass es genug ist?“, fragte Bonnie. „Ich sehe besser mal nach dem Rechten. Sonst sind bis zum Mittagessen alle Eier aufgegessen.“
Als Bonnie die Küche verließ, trat Jake ein. Er trug seinen Mantel. Einen Moment lang sah er Caro an, dann fragte seine Mutter: „Wo willst du denn hin?“
„Ich dachte, ich hacke noch ein bisschen Holz.“
„Aber draußen liegen doch noch genug Scheite.“
Er zuckte die Schultern. „Das geht schnell.“
Die Tür fiel ins Schloss, und Jakes Schritte hallten durch den Flur. Er ging zum Hintereingang des Gasthofes.
„Möchte wissen, was los ist“, sagte Doreen.
Caro hätte sich beinahe an dem Osterbrot verschluckt. „W…wie bitte?“
„Wir haben hier so viel Feuerholz, dass es bis zum nächsten Frühling reicht.“ Doreen schüttelte den Kopf. „Nein, irgendetwas beschäftigt ihn, nur was?“ Sie drehte sich um und begann, Kartoffeln zu schälen. Caro stand auf und trug ihr Geschirr zur Spüle.
„Sind Sie ganz sicher, dass ich Ihnen nicht irgendwie helfen kann?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort schon kannte.
„Nein. Gehen Sie ruhig“, winkte Doreen ab. Obwohl sie lächelte, sah Caro die Sorgenfalte auf ihrer Stirn.
Sie verließ die Küche und kam an einem kleinen Fenster vorbei, von dem man in den Innenhof blicken konnte.
Jake stand dort, inmitten mehrerer Stapel Brennholz. Dean war ebenfalls draußen, doch anstelle einer Axt hielt er einen Kaffeebecher in der Hand. Caro beobachtete, wie Jake ein Stück Holz auf den Stamm legte, der ihm als Spaltblock diente. Er stellte seine Füße schulterbreit auseinander, dann hob er die Axt hoch über den Kopf und ließ sie mit voller Wucht auf das Holz niedersausen. Caro erkannte,
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