Julia Extra Band 361
geworden, unangenehme Dinge zu verdrängen. Wie zum Beispiel die Frage nach ihren Gefühlen für Andreas. Sie hatte akzeptiert, dass sie ihn nicht mehr hasste, doch alles, was darüber hinausging, hielt sie sicher verschlossen hinter einer Tür in ihrem Kopf, auf der in großen Lettern „Tabu“ stand.
Nein, damit wollte sie sich wirklich nicht näher beschäftigen. Genauso wenig wie damit, was Andreas für sie empfinden mochte. Er sprach nie von Gefühlen. Er war aufmerksam und zärtlich, neckte sie sogar ab und zu und zog sie auf. Doch dann ertappte sie ihn wieder dabei, wie er sie mit gerunzelter Stirn musterte, so als wüsste er nicht, was er mit ihr anfangen sollte.
Eine solche Situation ergab sich, als Sienna ihren Koffer für die Reise zur Hochzeit ihrer Schwester in Rom packte. Sie hatte nämlich entschieden, sich ein Beispiel an Andreas zu nehmen und ihr Leben besser zu organisieren. Also wollte sie schon zwei Tage vorher auswählen, was sie mitnehmen würde, und den Koffer rechtzeitig gepackt haben – anstatt, wie es sonst ihre Art war, in fliegender Eile ein paar Sachen aus dem Schrank zu reißen und sich dann hinterher zu ärgern. Auf dem Bett türmten sich die Kleider, der Boden war übersät mit Schuhen, aber Sienna hatte alles unter Kontrolle. Oder hätte es unter Kontrolle gehabt, wäre Andreas nicht früher als sonst aus dem Büro zurückgekommen.
„Hi“, begrüßte sie ihn mit einem strahlenden Lächeln. „Du bist früh zu Hause.“
Die Falte auf seiner Stirn war so tief, als hätte man sie dort eingemeißelt. „Musst du unbedingt den ganzen Schrank ausräumen, nur weil du dich umziehen willst?“
Ihr Lächeln erstarb abrupt. „Ich packe.“
Ein Muskel zuckte in seiner Wange. „Was?“
„Ich fahre nach Rom. Weißt du nicht mehr?“ Sie warf eine Jeans auf den Stapel der Sachen, die sie nicht mitzunehmen gedachte. „Zur Hochzeit meiner Schwester. Ich hatte dir davon erzählt, aber wahrscheinlich hast du gar nicht zugehört. Es bleibt natürlich dir überlassen, ob du mitkommst oder nicht. Ich kann mir vorstellen, dass eine echte Hochzeit von zwei Menschen, die sich wirklich lieben, ein ziemlicher Schock sein kann.“
„Was, zum Teufel, soll das heißen?“
„Such’s dir aus.“ Sie drängte sich an ihm vorbei, um den Koffer zu holen.
Doch er packte sie beim Handgelenk und hielt sie fest. „Was ist los mit dir?“
„Was mit mir los ist? Du stehst doch hier wie ein brummiger Bär in der Tür.“ Mit ihrer freien Hand stieß sie gegen seine Brust. „Lass mich los.“
In seinen Augen glimmte ein Funke auf. „Letzte Nacht wolltest du unbedingt von mir festgehalten werden – zweimal sogar. Und heute Morgen auch. Wenn ich daran denke, was wir heute früh in der Dusche getan haben …“
Sie gab sich die größte Mühe, um sich nicht anmerken zu lassen, was die Erinnerung daran mit ihr anstellte. „Nun, jetzt will ich es nicht.“
Mit einem Ruck zog er sie an sich. „Beweise es.“
„Ich brauche nichts zu beweisen.“ Wieder drückte sie gegen seine Brust, ohne irgendetwas auszurichten.
Eine Hand an ihrem Rücken, presste er sie an seinen Schoß. „Ein Kuss, dann lasse ich dich gehen.“
„Na schön.“ Sie würde ihm schon zeigen, dass sie widerstehen konnte! Und was ihre verräterischen Gelüste anbelangte … die würde sie einfach ignorieren. „Dann zeig mir, was du kannst, Playboyprinz.“
Er beugte den Kopf, doch statt ihren Mund in Besitz zu nehmen, liebkoste er nur ihren Mundwinkel. Jedes Nervenende in Sienna begann zu vibrieren. Mit fest zusammengekniffenen Augen kämpfte sie gegen das aufwallende Verlangen an und versuchte, die Reaktion ihres Körpers zu ignorieren. Dann wechselte Andreas zur anderen Seite, seine Bartstoppeln kratzten an ihrem Kinn … Der Stromstoß fuhr ihr direkt in den Schoß.
„Du mogelst.“ Sie war entsetzt, wie atemlos sie klang, und erschauerte, als er an ihrem Ohrläppchen knabberte. „Du hast gesagt, ein Kuss, und du hast mich noch immer nicht geküsst.“
„Ich muss mich erst aufwärmen“, behauptete er und kehrte zu der empfindsamen Stelle direkt über ihrem Mundwinkel zurück.
Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus. Mit beiden Händen fasste sie seinen Kopf und presste ihren Mund auf seinen. Mehr brauchte es nicht, dass Andreas die Führung übernahm. Sienna vergaß ihren Vorsatz, hatte sie doch so oder so nicht die geringste Chance. Stattdessen rieb sie sich aufreizend an ihm, badete sich in der knisternden
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