Julia Extra Band 362
lebenserhaltende Maßnahme nach einer Flugzeugkatastrophe durchaus verständlich.“
Marisa wurde wütend. „Wieso glaubt eigentlich jedermann, Bescheid zu wissen?“
„Die Leute, die uns gerettet haben, haben geredet. So hat auch Ihr Mann davon erfahren und hat ihnen Glauben geschenkt.“
Ihr Ärger war verflogen. Ruhig sagte sie: „Keir ist Davids Sohn.“
„Ich glaube Ihnen.“ Er umschloss ihre Hand mit der seinen. „Sie zittern ja. Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass Sie frieren?“
Er zog sie in seine Arme und drückte sie gegen seinen kraftvollen Körper. Hitze flammte auf. „Alles ist gut“, flüsterte er in ihr Ohr. „Tut mir leid, dass Sie meine Nachforschungen über sich ergehen lassen mussten. Doch ich musste wissen, was hier vorgeht.“
Eine passende Antwort dazu fiel ihr nicht ein. Zudem wurde sie von einer seltsamen Erregung erfasst. „Ich friere … nicht“, stammelte sie. „Ich bin … nur … schockiert, denke ich.“
„Es ist viel geschehen in der letzten Zeit.“
Seine Umarmung wurde fester, und sie sah ihm tief in die Augen. Was sie darin las, machte sie frösteln.
Er beugte sich zu ihr. „Nach dem Unfall haben Sie Ihr Leben riskiert, um mich zu wärmen. Diesmal werde ich Sie wärmen.“
Sein Kuss setzte die Abwehr außer Kraft, die sie aufgewandt hatte, seit sie ihm wieder begegnet war. Mit einem tiefen Seufzer ergab sie sich ihren Gefühlen. Eine gewaltige Kraft nahm sie in Besitz und ließ alles in den Hintergrund treten, außer einer wilden, feurigen Sehnsucht und einem ungekannten Hunger.
Heiße Leidenschaft brannte in ihr, als seine Lippen ihre liebkosten.
Sie wollte mehr. Unter seinem fordernden Druck öffnete sich ihr Mund. Das nutzte er schamlos aus. Sein fordernder Kuss wischte all ihre Bedenken, Einwände, all ihre Gedanken hinweg.
Fast hätte sie vor Enttäuschung aufgeschrien, als er sich von ihr löste.
„Es tut mir leid“, sagte er mit belegter Stimme und ließ sie los. Er trat zurück und stellte den gleichen Abstand zwischen ihnen wieder her wie vorher.
„Es tut Ihnen leid? Warum küssen Sie mich erst und hören dann einfach auf?“
9. KAPITEL
Rafe verkniff sich einen Fluch.
Das Letzte, was du jetzt tun solltest, ist, sie wie ein idiotischer Lüstling zu küssen, wenn sie dir soeben den schlimmsten Fall von psychischem Missbrauch geschildert hat, von dem du je gehört hast.
Mit belegter Stimme sagte er: „Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Sie sind durch die Hölle gegangen.“
Marisa trat auf ihn zu und verschloss ihm den Mund mit zwei Fingern. „Sie sind der erste Mann, der mich seit Mariposa berühren durfte.“ Sie lächelte verlegen. „Ich habe Sie benutzt, habe Sie belogen. Ich werde nie wieder lügen.“
Rafe hatte Mühe, sich unter Kontrolle zu halten. „Sicher?“, fragte er leise.
Sie ließ die Hand fallen. „Ich begehre Sie. Mit Haut und Haar“, sagte sie und blickte ihm offen in die Augen.
„Warum?“ Weshalb, zum Teufel, bohrte er nach? In früheren Beziehungen war ihm das gegenseitige Verlangen genug gewesen. Nun wollte er mehr – ohne zu wissen, was genau dieses mehr bedeutete.
Seine Frage ließ Marisa aus allen Wolken fallen. Panik erfüllte sie. Ich will ihn haben. Doch das kann ich nicht tun. Ich darf es nicht. Rafe würde ihr niemals Beständigkeit bieten. Sie spielte nicht nur mit ihrem eigenen Glück, sie setzte auch Keirs Wohlbefinden aufs Spiel.
Mit einem Funken Bedauern fragte sie sich andererseits, ob sie nun im Zölibat leben sollte, bis ihr Sohn erwachsen war.
Zartes Rosa färbte ihre Wangen, als sie frei heraus sagte: „Ich bin froh, dass Sie mich das gefragt haben. Ich darf nicht nur für mich selbst denken und handeln. Keir mag Sie sehr, und es wird ihm bestimmt wehtun, wenn wir von hier wieder abreisen.“ Verzweiflung schwang in ihrer Stimme mit. „Ich muss mit ihm woanders hingehen!“
„Wenn das so ist“, sagte er kühl. „werde ich mich so gut es geht von Ihnen fernhalten, solange Sie hier wohnen.“
„Ja“, erwiderte sie tonlos. „Das wird das Beste sein. Danke.“
Als ihr Blick seine stahlgrauen Augen traf, zog sich etwas in ihr zusammen. Eine Gluthitze erfüllte sie.
„Gute Nacht“, sagte sie rasch und lief durch die Tür. Sie schloss sie und lehnte sich von der anderen Seite dagegen. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie kein anderes Geräusch vernahm.
Selbstverständlich war Keirs Wohlergehen das Wichtigste auf der Welt. Doch für eine lange Sekunde musste sie
Weitere Kostenlose Bücher