Julia Extra Band 362
er.
Sie schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln. „Erst nach Wochen erfuhr ich per Zufall, dass Sie hier leben. Ich wollte auf der Stelle kehrtmachen. Doch das war nicht so einfach. Keir hatte Freunde gewonnen, er mochte die Schule, und das Geschäft lief gut. Ich war überzeugt, dass ich mit meiner neuen Identität unerkannt bleiben würde. Wie haben Sie mich denn erkannt? Die Ähnlichkeit zwischen der armen Mary Brown und mir ist relativ gering.“
„Es scheint, als habe die arme Mary Brown, wie Sie sie abschätzig bezeichnen, mein Leben gerettet. Wofür ich ihr sehr dankbar bin.“
War dies der einzige Grund, weshalb er ihr geholfen hatte? Enttäuschung machte sich in ihr breit.
Es musste einen Auslöser gegeben haben, warum er nach Mariposa gereist war. Hatte er lediglich herausfinden wollen, was nach dem Absturz geschehen war? Welchen Anlass hätte es sonst gegeben?
Sie schob die Bedenken von sich und sagte in einem Anflug von Humor: „Ich schlage Ihnen ein Geschäft vor. Ich werde aufhören, Ihnen Dankeschön zu sagen, wenn auch Sie aufhören, sich zu bedanken.“
„Einverstanden!“ Er hielt ihr die Hand hin, und sie schlug ein.
„Dass ich Ihnen eine Bleibe anbiete, ist wohl kaum Entschädigung genug dafür, dass Sie mir das Leben gerettet haben“, erklärte er. „Haben Sie eigentlich damals nie daran gedacht, mich in dem Wrack zurückzulassen?“
Voller Erstaunen sah sie ihn an. „Nein. Das kam nie infrage. Sie haben irgendetwas von Feuer gemurmelt, dann roch ich das Benzin …“
„Kerosin“, korrigierte er nachsichtig.
„Egal was. Für mich roch es, als könne das Flugzeug jeden Moment explodieren. Und Sie waren kurz davor, ohnmächtig zu werden. Haben Sie irgendeine Erinnerung daran?“
„Nein“, antwortete er kurz. „Die Hütte im Sturm zu finden wird nicht einfach gewesen sein.“
Nur zu gut konnte sie sich daran erinnern. „Es war offensichtlich, dass Sie Schmerzen hatten. Trotzdem waren Sie so darauf fixiert, zur Hütte zu gelangen, dass Sie auch alleine losmarschiert wären.“
„Außer der Verletzung am Kopf hatte ich keine weiteren Kratzer.“
„Ich dachte, dass es besser wäre, trotz des Wetters in der abgelegenen Hütte zu bleiben als in einem explosionsgefährdeten Flugzeug.“ Dann kam sie auf ihre ursprüngliche Frage zurück. „Wir sind uns in Mariposa kaum begegnet, und nach dem Absturz waren Sie die meiste Zeit ohne Bewusstsein. Wie haben Sie mich denn erkannt?“
„Ihre Augen“, gab er lapidar zurück. Er streckte den Arm aus und fuhr mit der Spitze des Zeigefingers eine Augenbraue nach. Es brannte wie Feuer auf ihrer Haut. Seine Stimme senkte sich. „Solch ein starkes, leuchtendes Grün ist allein schon ungewöhnlich genug. Doch die Form Ihrer Augen – und wie die Brauen dieser Schräge folgen – ist außergewöhnlich und unvergesslich.“
„Ich habe die Augen meiner Großmutter geerbt“, sagte sie unschuldig.
Sein intensiver Blick traf sie tief im Innersten und entfachte eine heiße Glut. Um ihre Gefühle zu verbergen, versuchte sie, das Thema zu wechseln. „Und wie haben Sie meine Notlüge wegen Keir herausgefunden?“
„Sie haben es mir unbewusst gebeichtet.“
Entgeistert starrte sie ihn an. „Aber Sie haben es schon vorher gewusst, richtig?“
Sein Mund verzog sich zu einem süffisanten Lächeln. „Ich wusste, was ganz Mariposa zu wissen glaubte. Irritiert hat mich allerdings Ihr Verhalten. Eine Mischung aus Vorsicht und Reserviertheit. Ich konnte mir nur keinen Reim darauf machen, warum in aller Welt Sie vorgaben, jemand anders zu sein. Entweder hatten Sie Angst oder etwas zu verbergen.“
„Also haben Sie Nachforschungen über mich angestellt.“ Vergeblich versuchte sie, verärgert zu klingen.
Sein verhangener Blick blieb auf sie gerichtet, als er zustimmend nickte. „Und herausgefunden, dass auf Keirs Geburtsurkunde der Name des Vaters fehlt. Ich wollte den Grund dafür wissen.“
Einige Sekunden lang versanken beide in Schweigen.
Dann sagte er: „Keir kam nicht ganz neun Monate nach der Nacht zur Welt, die Sie und ich in der Hütte verbracht haben. Er könnte also durchaus das Ergebnis einer Liebesnacht sein, die ich aufgrund meiner Kopfverletzung vergessen habe.“
„Nein“, sagte sie bestimmt.
„In Mariposa fand ich heraus, dass wir beide nackt …“
„ Sie waren nackt“, sagte sie mit heißen Wangen.
„Die Menschen in Mariposa gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass wir miteinander geschlafen haben. Als
Weitere Kostenlose Bücher