Julia Extra Band 362
finde ich da alles, was ich brauche. In der Zwischenzeit kannst du ja schon mal anfangen, das Chaos hier zu beseitigen. Gemeinsam schaffen wir das schon.“
Nach einem weiteren zweifelnden Blick nickte sie zögernd. „Die Tür zur Garage liegt direkt neben der Küche.“
Auch hier war Wasser durch die Decke gedrungen, glücklicherweise nur in einer Ecke. Innerhalb weniger Minuten hatte Riley gefunden, was er zur provisorischen Dachabdeckung benötigte, und machte sich ans Werk. Zunächst lehnte er eine Leiter an die Hauswand, klemmte sich die Plane, die er um Leisten gewickelt hatte, unter einen Arm, nachdem er Hammer und Nägel eingesteckt hatte, und kletterte die Leiter hoch. Er hatte es bis zur vierten Sprosse geschafft, als er von unten eine vertraute Stimme rufen hörte.
„Spielst du jetzt den Weihnachtsmann?“
Vorsichtig drehte Riley sich um. Jeremy stand völlig durchnässt neben der Leiter. „Ich repariere das Dach. Wenigstens provisorisch“, erklärte er gelassen.
„Wieso?“
„Weil es ins Schlafzimmer deiner Tante regnet.“
„Kein Wunder. Diese Hütte ist schon lange baufällig“, sagte Jeremy abfällig.
„Statt herumzunörgeln, könntest du mir helfen, Kumpel.“ Inzwischen war auch Riley klatschnass. Je eher er wieder ins Haus kam, desto besser.
„Ich klettere doch nicht die Leiter hoch. Nachher verletze ich mich noch.“
„Das kann natürlich passieren. Andererseits könntest du mir helfen und etwas lernen.“
Unentschlossen sah Jeremy hoch. Dann stieg er hinter Riley auf die Leiter. „Okay. Ich kann ja nicht verantworten, dass du dir den Hals brichst. Das würde Tante Stace mir nie verzeihen.“
„Wenn du meinst.“ Riley grinste kurz. „So, halt dich gut fest, Jeremy!“
„Klar. Ich bin ja nicht blöd.“
Besorgt beobachtete Riley, wie der Junge ihm aufs rutschige Dach folgte, und war froh, dass es sich bei dem Haus um einen Bungalow handelte. Wenigstens fiel man dann nicht so tief.
Riley warf die Plane aufs Dach. „Geh auf die andere Seite, Jeremy. Aber vorsichtig, das Dach ist löchriger als Emmentaler Käse.“
Der Junge hielt einen Zipfel der Plane fest, während er sich quer übers Dach tastete. Kein leichtes Unterfangen, zumal es immer noch in Strömen goss und ein böiger Wind an der Plane zerrte.
Ängstlich blickte Stace ihnen von unten durch das Loch entgegen. Erleichtert stellte Riley fest, dass sie das Chaos im Schlafzimmer bereits fast beseitigt und eine große Plastikwanne aufs Bett gestellt hatte, um den Regen aufzufangen. Sie ist wirklich tüchtig, dachte er.
„He, was macht Jeremy auf dem Dach?“, rief sie ängstlich.
„Er hilft mir. Umso schneller sind wir wieder unten.“
„Aber …“
„Keine Sorge, Stace. Wir schaffen das schon. Verlass jetzt bitte das Zimmer, bevor das restliche Dach auch noch einstürzt.“
„Erst muss ich die Teetassen retten.“ Sie hob zwei weiße zerbrechliche, mit Goldrand und Blumenmuster dekorierte Porzellantassen hoch. „Ich hätte schon längst ein Regal dafür kaufen sollen. Aber sie stehen immer noch auf meiner Kommode.“
„Lass sie stehen. Wir holen sie später“, widersprach Riley energisch. Das Dach unter ihm fühlte sich an wie ein Trampolin. „Geh jetzt sofort raus!“
„Ja, gleich. Gib mir eine Minute. Ich kann die Tassen nicht zurücklassen.“
„Stace!“
Jeremy schaltete sich ein. „Lass sie. Tante Stace hängt an den Dingern. Ich glaube, sie hat die Tassen von ihrer Mutter geschenkt bekommen.“
„Also gut.“ Stace hängt also an dem Lokal und an Teetassen, dachte Riley belustigt. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Dacharbeiten. Obwohl der Wind immer wieder wütend an der Plane zerrte, gelang es Riley schließlich mit Jeremys tatkräftiger Unterstützung, sie auf drei Seiten festzunageln. Dann kam er zu Jeremy herum und drückte ihm den Hammer in die Hand. „Jetzt bist du dran.“
„Aber ich habe das noch nie gemacht.“
„Dann wird es Zeit, dass du es lernst“, antwortete Riley ungerührt. „Leg die Holzleisten auf den Rand der Plane. Lass etwa eine Handbreit Abstand. Jetzt hämmerst du die Nägel rein.“
„Hoffentlich mach ich nichts falsch“, murmelte Jeremy unsicher und sah Riley hilfesuchend an.
Der fühlte sich in die Vergangenheit versetzt. „Aber Dad, wenn ich es nun falsch mache.“
„Keine Angst“, hatte sein Vater beruhigend gesagt. „Ich bin ja hier und kann dir helfen. Wenn du immer Angst hast, Fehler zu machen, Riley, wirst du nie was dazulernen.
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