Julia Extra Band 362
los. An den kreischenden und piepsenden Spielautomaten drängten sich so viele Menschen, dass Karim Mühe hatte, sich seinen Weg zur Rezeption zu bahnen.
Seine im zehnten Stock gelegene große Suite war überraschenderweise recht geschmackvoll eingerichtet. Karim stellte sich sofort unter die Dusche, um seine Müdigkeit zu vertreiben. Doch es klappte nicht.
In Ordnung – er brauchte Schlaf.
Aber er konnte einfach nicht einschlafen. In den beiden vergangenen Wochen hatte Karim kaum Schlaf gefunden, denn die hässlichen Wahrheiten über seinen verstorbenen Bruder hatten ihn zu sehr belastet. Nach einer Weile gab er auch jetzt zermürbt auf.
Er musste etwas tun. Spazieren gehen. Irgendwohin fahren.
Vielleicht konnte er ja zu der Adresse fahren, die er in Ramis Sachen gefunden hatte. Und da er einen Schlüssel hatte, hinderte ihn nichts daran, sich dort schon mal kurz umzusehen.
Karim schlüpfte in Jeans, ein schwarzes T-Shirt, Sneakers und eine weiche schwarze Lederjacke. In der Wüste war es nachts kalt, sogar in dieser Wüste hier, die so weit in die hell erleuchtete Stadt hineinragte. Er steckte den Wohnungsschlüssel ein, an dem ein Anhänger mit der Aufschrift 4B baumelte, sowie den Zettel mit der Adresse.
Derselbe Page wie vorhin fuhr den Mietwagen vor und bekam dafür noch einen Zwanziger. Nachdem Karim sich hinters Steuer gesetzt hatte, gab er die Adresse in das Navi ein und brauchte dann nur noch den Anweisungen zu folgen.
Eine Viertelstunde später war er an seinem Ziel angelangt, das in einer deprimierend heruntergekommenen Gegend lag – genauso heruntergekommen wie das Gebäude selbst. Karim runzelte unangenehm berührt die Stirn. War es wirklich vorstellbar, dass sein Bruder hier gelandet war? Nun, es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
Karim stieg aus, schloss das Auto sorgfältig ab und ging zu dem Haus, dessen Eingangstür offenstand. Im Hausflur stank es nach altem Fett und Urin. Als er in irgendetwas Glitschiges trat, versuchte er sich nicht vorzustellen, was es gewesen sein mochte. Da er nirgends einen Aufzug entdecken konnte, nahm er die Treppe in den ersten Stock. Apartment 2 … Apartment 3 … da war es: Apartment 4B, auch wenn sich die „4“ auf der Tür betrunken zur Seite neigte und das „B“ auf dem Kopf stand.
Karim zögerte. Wollte er sich das wirklich noch antun heute Nacht? Er wusste, dass er sich auf etwas gefasst machen musste. „Oh, verdammt“, murmelte er leise in sich hinein. Obwohl es ihm eigentlich egal war, in was für einem Zustand sich das Apartment befand. Das Einzige, was ihm wirklich etwas ausmachte, war der Anblick von Ramis Sachen.
„Jämmerlicher Feigling“, sagte er laut zu sich selbst, während er entschlossen den Schlüssel ins Türschloss schob und … Die Tür war offen. Das Erste, was ihm auffiel, war der angenehme, leicht süßliche Geruch, der in der Luft hing. Nach Plätzchen? Milch?
Das Zweite, was er registrierte, war, dass er nicht allein war. Himmel! Da stand jemand, ungefähr drei, vier Meter entfernt … eine Frau. Sie kehrte ihm den Rücken zu und war groß und schlank und …
Und nackt.
Sein Blick glitt über sie hinweg. Das hellblonde Haar fiel ihr lang über die Schultern, den hübschen Rücken. Die schmale Taille wurde durch die anmutig geschwungenen Hüften und die endlos erscheinenden Beine betont. Verdammt. Er hatte sich in der Tür geirrt! Oder beim Haus …
Die Frau fuhr herum. Jetzt sah er, dass sie nicht nackt war, sondern einen winzigen BH und einen silbernen Glitzertanga trug. Es war ein billiger Aufzug, der fast alles von ihrem atemberaubenden Körper zur Schau stellte, noch atemberaubender jedoch war ihr Gesicht. Doch was spielte das in diesem Moment für eine Rolle, da er ganz offensichtlich in ein fremdes Apartment eingedrungen war … und ihr wahrscheinlich einen tödlichen Schrecken eingejagt hatte.
Karim hob beide Hände. „Keine Angst“, sagte er schnell. „Ich dachte …“
„Ich weiß genau, was Sie dachten, Sie … Sie Perversling!“, stieß die Frau hervor, während sie vor ihm zurückwich und dabei blitzschnell den Arm hochriss. Mit einem Schuh in der Hand, der mit seinem schwindelerregend hohen, spitzen Absatz eine veritable Mordwaffe darstellte.
„He!“ Karim federte zurück. „Hören Sie! Ich will nichts von Ih…“
Sie holte aus und schleuderte den Schuh in Richtung seines Gesichts, aber er duckte sich so schnell weg, dass sie nur seine Schulter traf. Karim sprang auf die Frau
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