Julia Extra Band 364 (German Edition)
wischte über die Arbeitsfläche. „Welches Mädchen will mit seiner Mutter schon über seine Liebe reden?“
„Ich bin kein Mädchen. Und Rio nicht mein Liebhaber.“
„Nicht mehr, aber er war es sicher.“
„Das ist das entscheidende Wort, Mama. Er war . Rio bedeutet mir nichts, nicht mehr.“
„Ach nein?“ Carmen warf das Tuch zurück in die Spüle und stemmte die Hände in die Hüften. „Und was macht er dann hier?“
„Er ist gekommen, um Pferde zu kaufen.“
Carmen lachte auf. „Pferde? Du kannst doch nicht so blind sein, meine Liebe. Er ist wegen dir hier.“
„Wenn dem so sein sollte, vergeudet er nur seine Zeit.“ Esmé stieß ihren Stuhl zurück und stand auf. „Ich will ihn nicht.“
„Eine Frau wendet sich von so einem Mann nicht freiwillig ab. Er bricht einem das Herz, wenn er einen verlässt. Dann ist man als Frau mutterseelenallein und weint ins Kissen.“
„Was für eine altmodische Vorstellung. Das macht mich richtig … krank“, stöhnte Esmé und lief ins Bad.
Carmen umklammerte den Rand der Spüle. Sie schloss die Augen, wie in stummem Flehen, obwohl sie befürchtete, dass es für ihre Gebete bereits zu spät war.
Die Nacht hatte sich über Espada gesenkt. Wetterleuchten erhellte den Himmel, und von den Bergen her donnerte es bedrohlich.
Esmé saß in ihrer kleinen Wohnung, die direkt neben der Sattelkammer bei den Ställen lag, vor dem Fernseher, während sie gedankenlos von einem Programm zum nächsten schaltete.
„Das Apartment ist nichts Besonderes“, hatte Jonas gesagt, als er sie angeheuert hatte, „aber du kannst es haben, wenn du willst.“
Sie wollte. Denn sonst hätte sie bei ihrer Mutter wohnen müssen. Dann hätte Carmen gewusst, dass sie manchmal halbe Nächte blicklos vor dem Fernseher verbrachte.
Ein Blitz zerriss den Himmel, und wieder grollte Donner auf, diesmal lauter und in kürzerem Abstand. Das Gewitter kam also näher und würde hoffentlich die ersehnte Abkühlung bringen nach der gnadenlosen Hitze. Vielleicht könnte sie dann endlich schlafen.
Esmé seufzte, klickte auf eine Wiederholung von ihrer Lieblingsserie I Love Lucy und lehnte sich auf dem Sofa zurück. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie kannte diese Folge schon. Lucy und Ethel versuchten Schritt zu halten mit einem Förderband, auf dem Schokopralinen lagen.
Allein der Anblick von Lucy, die all diese Schokolade in sich hineinstopfte, reichte, dass Esmé sich erneut der Magen umdrehte. Sie machte den Fernseher aus. Still lag Espada da, nur das Grollen am Himmel war zu hören.
Esmé legte die Fernbedienung auf den Beistelltisch und stand auf. Sie trug ein übergroßes T-Shirt über einem Baumwollslip, ihr bevorzugtes Schlafgewand, jetzt, da sie nicht mehr mit … seit sie hier auf der Ranch war. Baumwolle war am kühlsten auf der Haut. Außerdem musste sie sich nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen, ob sie sexy aussah für … für irgendjemanden.
Jetzt erst wurde ihr klar, wie viel Mühe sie sich gegen Ende ihrer Beziehung diesbezüglich gegeben hatte. Obwohl oder gerade weil Rio mit ihr schon viel länger zusammen war als mit jeder anderen Frau davor?
„Der muss ja was ganz Besonderes sein“, hatte eines der Mädchen, mit dem sie arbeitete, Esmé aufgezogen.
Esmé hatte bis dahin nie darüber nachgedacht, wie lange die Affäre dauern würde. Doch nachdem ihre Arbeitskollegin sie in dieser Weise aufgezogen hatte, konnte sie an nichts anderes mehr denken. Und nach einer Weile, als Rio anfing, ab und zu eine Verabredung platzen zu lassen, sie einen seltsamen Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkte und er sie obendrein mit noch mehr seidenen Nachthemden, einem weiteren teuren Parfüm beschenkte …
Was für eine Idiotin sie doch gewesen war!
Rasch ging sie in die kleine Küche und öffnete das Gefrierfach des Kühlschranks, aus dem ihr wohltuend kalte Luft entgegenschlug. Sie warf eine Handvoll Eiswürfel in ein Glas. Mama hat recht, dachte sie, als sie das Glas mit Wasser auffüllte. Espadas Quellwasser war erfrischend kühl und schmeckte köstlich. Sie hatte sich in New York eben nur daran gewöhnt, in Flaschen abgefülltes Wasser zu trinken. An vieles hatte sie sich gewöhnt, während sie in der Großstadt lebte. An den Lärm zum Beispiel. Als sie das erste Mal nach Espada zurückgekehrt war, hatte sie Schwierigkeiten gehabt, ohne den Verkehrslärm im Hintergrund einzuschlafen.
Doch viel mehr Schwierigkeiten machte es ihr, ohne Rio einzuschlafen. Ohne seinen Arm,
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