Julia Extra Band 365
überlief sie.
Dann musste sie sich glücklicherweise darauf konzentrieren, Brody die Richtung zu ihrem Haus in Newton anzusagen. Er fuhr in die Auffahrt und stellte den Motor ab.
„Da wären wir also“, bemerkte er.
Plötzlich wurde Kate nervös. Sie hatte hier natürlich schon Besuch von Männern gehabt, aber diesmal war es irgendwie anders. Vielleicht, weil es ein Risiko war, mit einem so faszinierenden und attraktiven Mann allein zu sein?
Die wenigen Schritte vom Auto zur Haustür schienen ihr eine kleine Ewigkeit zu dauern.
„Hereinspaziert“, forderte sie Brody auf, nachdem sie aufgeschlossen hatte. „Was möchten Sie trinken? Bier, Wasser, Kaffee?“
Er entschied sich für Wasser, das sie in ihrem kleinen Wintergarten servierte. Der behagliche Raum bot mit seinen hohen Fenstern einen wunderbaren Blick auf das Waldstück, das an ihr Grundstück grenzte.
„Das ist mein Lieblingsraum“, erklärte Kate. „Wegen der herrlichen Aussicht.“
Brody setzte sich auf das kleine Sofa mit dem geblümten Bezug. Ein äußerst maskuliner Mann in einer äußerst femininen Umgebung – und er wirkte kein bisschen fehl am Platz!
„Das kann ich verstehen, Kate. Man wohnt ja fast wie auf dem Land, und das so nah an der Großstadt! Ich kann mir gut vorstellen, wie Sie sich hier entspannen.“
„Ja, ich sitze gern hier und lese oder schaue einfach nach draußen. Das beruhigt.“
Brody übte freilich die gegenteilige Wirkung auf sie aus. Unwillkürlich dachte sie daran, wie sie sich beinah geküsst hatten – und wünschte sich, sie hätten es tatsächlich getan.
Warum war es nicht dazu gekommen? Er schien an ihr interessiert zu sein, aber wenn es darum ging, die Beziehung zu vertiefen, zuckte er jedes Mal zurück.
Oder deutete sie sein Verhalten falsch, und ihm lag gar nichts an ihr?
„Als ich in …“ Er machte eine kurze Pause. „Als ich in Übersee war, haben wir einmal einige Tage in einem kleinen Dorf in den Bergen Station gemacht. Es lag in einem grünen Tal unter Bäumen, ringsherum war alles karg und kahl. Von meinem Zimmer aus blickte ich auf die Berge, und wenn die Sonne aufging, tauchte sie die Gipfel in die herrlichsten Farben. Es war ein unvergesslicher Anblick.“
Tatsächlich schien es Kate, als würde er auch jetzt in Gedanken an diesen Ort zurückkehren.
„Die Tage dort waren hart“, fügte Brody hinzu und seufzte. „Manchmal half mir nur der Blick auf diese Berge, um mir meinen Verstand zu bewahren.“
„Andrew hat mir einmal etwas Ähnliches gesagt, als wir telefonierten. Er meinte, er würde in Afghanistan an jedem neuen Ort etwas Schönes suchen. Und wenn es dann schlimm wurde, konzentrierte er sich auf dieses Schöne. Das half ihm, durchzuhalten und daran zu denken, warum er dort war. Um Menschen zu helfen.“
„Diese Momente, wenn er an Schönes dachte, brachten ihm inneren Frieden?“, fragte Brody leise.
„Ja, das glaube ich.“
Kate blickte zu ihm und erkannte, dass auch er diesen Frieden suchte. Er trug offensichtlich eine schwere seelische Last mit sich herum, vermutlich wegen eines tragischen Ereignisses in jüngerer Vergangenheit.
So wie sie selbst schwer an ihrer Trauer litt. Vielleicht konnte sie ihm ein bisschen Trost spenden oder ihn wenigstens wissen lassen, wie gut sie ihn verstand. Er versuchte ja, dasselbe für sie zu tun.
Sie stand auf und nahm einen kleinen Holzkasten vom Bücherregal. Mit dem setzte sie sich neben Brody aufs Sofa.
„Ich möchte Ihnen etwas zeigen, was ich bisher nur meinen Großeltern gezeigt habe“, erklärte sie und öffnete den Kasten. „Das hier sind Andrews posthum verliehene Tapferkeitsmedaillen, die amerikanische Flagge, die bei seiner Beerdigung am Grab wehte, und hier sein Glücksbringer: ein vierblättriges Kleeblatt als Anhänger.“
Brody sah das kleine Schmuckstück an und erinnerte sich genau, wo er es zum ersten Mal gesehen hatte … In Afghanistan, im ersten Dorf, in dem ihre mobile Ärztetruppe Station gemacht hatte. Er und Andrew hatten draußen gesessen und den Sonnenuntergang betrachtet. Einer der letzten Sonnenstrahlen hatte das goldene Kleeblatt glitzern lassen.
Er hatte Andrew nach der Bewandtnis des Stücks gefragt, und das daraus resultierende Gespräch war der Beginn ihrer Freundschaft gewesen.
Und plötzlich sah er Andrew wieder auf dem Boden liegen, schwer verwundet durch die Explosion, inmitten seiner ebenfalls verwundeten Kameraden. Überall Blut, Staub, Chaos.
Er fühlte noch einmal seinen Wunsch,
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