Julia Extra Band 365
Gefühl. Sie spürte, wie angespannt er neben ihr herging und wie seine Hand auf ihrem Rücken sich verkrampfte, während er sie durch die Menge führte. Aber seine Aufmerksamkeit richtete sich nicht auf sie, sondern auf den Tisch, auf den sie zugingen. Der Tisch, der bereits zur Hälfte mit lebhaft plaudernden Gästen besetzt war.
Er wollte nicht an diesem Tisch sitzen. Er schien sich genauso unwohl zu fühlen wie sie, obwohl er es gut zu verbergen wusste.
Er lächelte den Gästen am Tisch zu, während er ihr den Stuhl zurechtrückte. Niemand von den anderen kam auf die Idee, er könnte nicht von ihrer Gesellschaft begeistert sein. Er schien sich völlig unter Kontrolle zu haben. Aber Madeline wusste es besser. Da war etwas. Sein Körper war verkrampft, und selbst wenn er lächelte, schien er die Zähne zusammenzubeißen.
Als er sich neben sie setzte und die Hände auf die weiße Tischdecke legte, legte Madeline instinktiv ihre Hand auf seine. Die Geste sollte ihn trösten. Aber plötzlich war es mehr.
Es war, als würde ein Blitz von ihrer Hand direkt in ihr Herz zielen und sie von innen heraus verbrennen. Langsam, und wie sie hoffte unauffällig, zog sie die Hand zurück.
Sie sah auf den leeren Teller vor sich und hoffte, dass nicht alle am Tisch ihr Herz hämmern hörten. Sie wusste nicht, warum sie das getan hatte. Sie war doch gar kein gefühlsbetonter Mensch. Die meiste Zeit ihres Lebens pflegte sie keinen engen Kontakt zu Menschen. Das Ergebnis war, dass sie sich nicht zu einem besonders herzlichen Menschen entwickelt hatte. Wie auch?
Sie verstand nicht, warum es für sie plötzlich die normalste Sache der Welt war, ihn zu berühren.
Aleksej konnte ihre Wärme fühlen, aber mehr noch den Trost, den ihre Berührung ihm bot. Er schluckte schwer und richtete seine Aufmerksamkeit rasch auf eine Frau, die gerade sprach.
„Mr Petrov, wie reizend, Sie hier zu sehen!“
„Und Ihre neue Kollektion ist so aufregend!“, gurrte eine der anderen Damen.
Er fing an, über seine Kollektion zu sprechen, aber in Gedanken war er immer noch bei Madelines unbewusster Geste. Sie erinnerte ihn an lang vergangene Zeiten. Liebevolle Berührungen, die mehr waren als nur Sex.
Das alles hatte er verdrängt. Dieser Teil seines Lebens war Vergangenheit. Pauline war fort. Er konnte niemandem mehr etwas geben. Oder etwas annehmen. Eine Verbindung zwischen ihm und Madeline – das war etwas, das nur in seiner Fantasie existierte.
Madeline beobachtete ihn, während er sprach. Er fühlte sich wohl, wenn er über seine Arbeit sprechen konnte. Aber er war ein Meister, wenn es darum ging, Distanz zu halten, um die absolute Kontrolle über seine Beziehung zu anderen. Sie wünschte, sie hätte auch dieses Talent.
Es war auf vielfache Art verwirrend, so dicht neben ihm zu sitzen, dass sich ihre Arme berührten. Um die Wahrheit zu sagen, es verwirrte sie auf eine ganz bestimmte Art. Aber genau über die wollte sie lieber nicht nachdenken.
„Ich brauche frische Luft“, sagte sie leise. Sie musste sich über einiges klar werden. Und sie wollte nicht, dass die anderen herausbekamen, dass sie Aleksejs Angestellte war. Man würde sich fragen, warum sie neben Aleksej saß. Und sie wollte nicht im Fokus des Interesses stehen, wollte nicht am nächsten Morgen in den Schlagzeilen auftauchen.
Mit einer höflichen Geste, von der am Tisch allerdings niemand Notiz nahm, stand sie auf und bahnte sich ihren Weg durch die Menge, hinaus in den langen leeren Gang vor dem Ballsaal. Erleichtert lehnte sie sich dort an eine Wand. Es tat gut, der lauten Gesellschaft entkommen zu sein. Sie fühlte den kalten Stein im Rücken. Sie brauchte seine Kälte, um die Flammen zu löschen, die Aleksej in ihr entfachte.
„Geht es Ihnen gut?“
Sie sah Aleksej vor sich, und die Wirkung der kalten Mauer war verflogen.
„Ich mag keine Partys.“
„Das war nicht zu übersehen“, meinte er achselzuckend. „Würde ich sie mögen, würde ich häufiger hingehen.“
„Aber jeder will mit Ihnen gesehen werden.“
„Ja. Weil jeder sich im Abglanz meines Reichtums und meiner Macht sonnen will. Glauben Sie, auch nur einer dieser Menschen würde mit mir sprechen, wenn ich zum Personal gehörte?“
„Keiner. Da spreche ich aus Erfahrung.“
Er stand dicht vor ihr und sah gefährlich attraktiv aus. Die reinste Einladung zu all den Sünden, die sie auf keinen Fall mehr begehen wollte. „Warum sollte es mich also interessieren, dass die Leute mit mir sprechen
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