Julia Extra Band 367
er in die Baugrube blickte.
„Das ist ja auch richtig so“, erklärte ich. Warum musste er mich immer provozieren? „Die Gittermatten nehmen die Spannung aus dem Beton.“
„Ich wünschte, ich hätte etwas, um meine Anspannung zu lindern“, erwiderte er mit unbewegter Miene, was typisch für ihn war. Immer hatte ich das Gefühl, dass er sich über mich lustig machte, und das irritierte mich.
Außerdem war ich noch nie einem Menschen begegnet, der so wenig gestresst wirkte wie er. George gehörte zu den glücklichen Menschen, die das Leben leichtnahmen. So konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum Lord Whellerby ausgerechnet ihn als Verwalter eingestellt hatte. Für George war es sicherlich nur ein Zeitvertreib zwischen seinen Segeltörns oder Casinobesuchen.
Ich kannte diesen Typ Mann.
„Was können wir für Sie tun, George?“, erkundigte ich mich forsch. „Wie Sie sehen, sind wir ziemlich beschäftigt.“
„Die Männer sind beschäftigt. Sie sehen nur zu.“
„Ich leite sie an “, verkündete ich. „Ich bin die Bauleiterin und dafür verantwortlich, dass alles richtig läuft.“
„Ihre Arbeit ähnelt also meiner, nur dass Sie einen Helm tragen.“
„Mein Job hat mit Ihrem nichts gemeinsam“, entgegnete ich eisig. „Und apropos Helm … Ich habe Ihnen schon mal gesagt, dass Sie hier einen tragen müssen.“
George blickte sich auf der Baustelle um. Man hatte die Fläche im vergangenen Herbst gerodet. Der Boden um die Grube herum war matschig, und überall lagen Stapel mit Gittermatten. „Ich sehe hier keinen einzigen Gegenstand, der mir auf den Kopf fallen könnte.“
„Sie könnten stolpern und sich den Kopf an einem Stein aufschlagen.“ Ganz leise fügte ich hinzu: „Mit etwas Glück.“
„Das habe ich gehört!“ George lächelte jungenhaft, woraufhin ich mir mein Klemmbrett an die Brust drückte und das Kinn hob. „Ich musste noch nie einen Helm tragen, wenn Hugh Morrison die Bauaufsicht hatte.“
„Das war vor Baubeginn, und außerdem hatte er da die Verantwortung. Jetzt bin ich Bauleiterin, und ich halte mich an die Vorschriften.“ So wichtigtuerisch bin ich nicht immer, aber George hatte etwas an sich, das mich nervte.
„Gut zu wissen“, erwiderte er. „Vielleicht habe ich mich in der Hinsicht geändert!“
Prompt stieg mir das Blut ins Gesicht, als er mich forschend betrachtete. Meine zarte, helle Haut hat mich schon immer gestört, denn ich erröte bei jeder Kleinigkeit wie ein Schulmädchen.
„Also, was ist die richtige Vorgehensweise, wenn ich mit Ihnen ausgehen möchte?“ Vertrauensvoll beugte George sich vor.
Demonstrativ ließ ich den Blick über die Baugrube schweifen und richtete ihn anschließend auf meine Liste, bevor ich kühl erwiderte: „Sie fragen mich, und ich sage Nein.“
„Das habe ich schon probiert.“
Tatsächlich hatte er am Abend nach meiner Ankunft bei mir geklopft, um mich auf einen Drink im Dorfpub einzuladen. Er fragte mich jedes Mal, wenn wir uns begegneten – mittlerweile sicher nur, um mich zu ärgern.
„Dann weiß ich nicht, was ich vorschlagen soll.“
„Wir sind Nachbarn“, erinnerte er mich. „Wir sollten ein gutes Verhältnis zueinander haben.“
„Eben darum halte ich es für keine gute Idee.“ Erneut hakte ich etwas auf meiner Liste ab. „Wenn Sie sich als Spinner erweisen würden, hätte ich gar keine Ruhe mehr vor Ihnen.“
„Als Spinner ?“
Es war offensichtlich, dass er sich das Lachen verkneifen musste.
Ich strich mir das Haar zurück und funkelte ihn wütend an. „Sie wissen schon, was ich meine.“
Er tat so, als würde er nachdenken. „Sie glauben also, ich würde Ihnen nach einem gemeinsamen Abend im Pub nachstellen oder mich bis über beide Ohren in Sie verlieben?“
Zu meinem Leidwesen spürte ich, wie ich wieder errötete. „Das halte ich für unwahrscheinlich.“
„Warum?“
Angelegentlich blickte ich auf mein Klemmbrett und wünschte, er würde keine derart peinlichen Fragen stellen und endlich gehen.
„Ich bin nicht der Typ Frau, in den Männer sich Hals über Kopf verlieben“, erwiderte ich nach einer Weile.
Und das stimmte traurigerweise.
Seine blauen Augen funkelten. „Dann fürchten Sie also, Sie könnten sich in mich verlieben.“
„Ganz bestimmt nicht!“, entgegnete ich scharf. „Sie sind überhaupt nicht mein Typ.“
„Und was ist dann Ihr Typ?“
„Sie jedenfalls nicht“, erklärte ich, woraufhin er eine gekränkte Miene aufsetzte. „Ich traue
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