Julia Extra Band 368
ist das mit Ihnen, Katharina die Große?“ Bei dem Spitznamen, den er ihr gab, zog sie die Augenbrauen in die Höhe. „Warum nehmen Sie diese Verantwortung auf sich? Sehen Sie es als Ihre Aufgabe an, die Leiden der Welt zu heilen?“
„Vielleicht. Anders als Sie fühle ich mich zum Regieren berufen, aber ich darf es nicht. Deshalb muss ich einen anderen Weg finden, um etwas zu bewirken. Wenn ich es schaffe, indem ich Dinge richte … ja, dann werde ich diejenige sein, die die Dinge richtet.“
Lange studierte er sie, und sein eindringlicher Blick jagte ihr Hitze in die Wangen. Sie spürte, wie die Hitze begann durch ihre Adern zu strömen, sie wollte den Abstand zwischen ihnen überbrücken. Wollte ihn mit ihrer Wärme einhüllen, denn er sah aus, als wäre ihm unendlich kalt.
„Mich brauchen Sie nicht zu heilen, Katherine“, sagte er mit tonloser Stimme.
Jäh wurde ihr klar, dass sie gar nicht wüsste, wie sie es anstellen sollte. Vor ihr stand ein Krieger, der im Kampf Narben davongetragen hatte. Doch die Narben in seinem Inneren waren so viel schlimmer als die, die er für jeden sichtbar trug. Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit ersetzten die Wärme, die eben noch in ihr aufgestiegen war. Sie würde nie genug für ihn sein. Es würde ihr nie gelingen, an ihn heranzukommen.
„Heute war es einfacher“, sagte Zahir, als er in die Bibliothek trat.
Katherine legte ihr Buch beiseite und lächelte ihm zu. Er hatte sich so sehr an dieses Lächeln gewöhnt, schneller als ihm lieb war.
„Das freut mich ehrlich.“
Ja, die Fahrten durch die Stadt waren mit jedem Mal leichter zu ertragen. Das Wissen um Katherines Nähe hatte Zahir in der Gegenwart verankert. Die Hochzeit würde allerdings etwas ganz anderes sein. Hunderte von Menschen würden die Straßen säumen, alle Augen würden auf das Brautpaar gerichtet sein. Entweder würde es ein Triumphzug für ihn werden oder aber die finale Erniedrigung – für seinen Namen, für seine Familie, für sein Volk. Dieser Gedanke erschreckte ihn mehr als es jedes Attentat könnte.
Er würde es schaffen, davon war er überzeugt. Es gab Anker, an denen er sich festhalten konnte. Katherines Stimme und ihr Gesicht würden die Dämme sichern, hinter denen er die Erinnerungen in Schach hielt.
„Die Hochzeit wird auch einfach werden“, sagte er laut.
„Einfach?“ Sie stand auf, und er erlaubte es sich, seinen Blick über ihre reizvolle Figur wandern zu lassen. Er verspürte ein Ziehen in seinen Lenden – eine willkommene Ablenkung. „Eine Hochzeit ist nie einfach, egal unter welchen Umständen.“
„Sollten Sie mir nicht eher Mut zusprechen?“
„Ich versuche nur, uns glatt durch diese Sache zu bringen. Auf mehr kann ein verlobtes Paar wohl nicht hoffen.“
„Damit könnten Sie recht haben“, gestand er ihr zu. „Meine erste Verlobung hat ja nicht lange gedauert.“
„Ach … Amarah.“
Das Gift in ihrer Stimme amüsierte ihn. „Amarah war kein schlechter Mensch.“
„Ich sehe das anders. Sie hätte bei Ihnen bleiben müssen.“
„Damit es Ihnen erspart geblieben wäre, sich mit mir abzugeben?“
„Nein, weil sie Ihnen ein Versprechen gegeben hatte.“
Er hasste es, darüber zu reden, dennoch hielt er es für nötig. Katherine sollte verstehen. „Sie erinnern sich doch an den Vorfall auf dem Markt, oder?“ Als sie nickte, fuhr er fort: „So war ich die ganze Zeit über. Bewusste Momente wechselten sich ständig ab mit Wutanfällen und Zeitspannen, in denen ich nur schrie. Ich litt unerträgliche Schmerzen, durch die Medikamente schlief ich entweder, oder ich nahm die Realität verzerrt wahr. Ich war nicht nur äußerlich bis zur Unkenntlichkeit entstellt, ich war auch nicht mehr der Mann, den sie kannte. Wie hätte ich von ihr verlangen sollen, mit dem Biest zu leben?“
„Sie sind kein …“
„Damals war ich es.“ Bisher hatte er es noch nie ausgesprochen, aber sie musste es wissen.
Schmerz stand in ihren grünen Augen, nicht Mitleid. „Wie haben Sie überhaupt die Kraft gefunden, weiterzumachen? Sie haben zuerst Ihre Familie verloren, dann Ihre Verlobte …“
„Ich hatte Hajar. Auch wenn ich nie Regent sein wollte … Ich musste mein Volk beschützen. Ich baute die innere Sicherheit aus, ließ Krankenhäuser errichten, in denen Attentatsopfer aus aller Welt unentgeltlich behandelt werden. Natürlich musste ich Wege finden, um die finanziellen Mittel dafür aufzubringen und die Wirtschaft des Landes anzukurbeln. Das ist es, was
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