Julia Extra Band 370
Memory“ an sein Ohr drangen, verzog Titus bitter den Mund. Ein Song, den eine wunderschöne, dem Untergang geweihte Schauspielerin für ihren ebenso dem Untergang geweihten Präsidenten gesungen hatte.
Ein Song, den Roxanne Carmichael für ihn gesungen hatte.
Was er ihr vorgeworfen hatte.
Er griff nach dem Glas, um den ersten Schluck von seinem Whisky zu trinken, als ihn die Erkenntnis wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf … und er sich fragte, warum er nicht gleich darauf gekommen war. Wahrscheinlich, weil ihn diese Frau so verwirrte, dass er etwas ganz Entscheidendes übersehen hatte.
Weil schlicht nicht zu erklären war, warum Roxanne jetzt hier als Zimmermädchen arbeiten sollte, wenn sie tatsächlich an ihrem Comeback als Sängerin bastelte. Und überhaupt! Sah sie wirklich aus wie eine Frau, die kurz vor einem musikalischen Durchbruch stand? War er blind? Oder einfach nur grausam ungerecht?
Ein heftiger Schmerz durchzuckte ihn, als ihm aufging, wie vorschnell er sich eine Meinung gebildet hatte. Und dass er Roxanne, ohne Genaueres zu wissen, verurteilt hatte.
Seine Hände zitterten, als er einen Geldschein aus seiner Brieftasche zog und neben sein Glas auf den Tisch legte. Er war so wacklig auf den Beinen, als ob er in Rekordzeit eine ganze Flasche Whisky geleert hätte. Jetzt wollte er nur noch zu ihr, um ihr zu sagen …
Um ihr was zu sagen? Wie könnte er Roxanne um Verzeihung bitten?
12. KAPITEL
Roxy unterdrückte ein Gähnen, als sie den Handwagen vor der wuchtigen Relief-Flügeltür zur Maraban-Suite abstellte. Sie war müde, gelinde ausgedrückt. Eigentlich war sie hundemüde, total erschöpft. Ausgelaugt, weil sie seit Wochen zu wenig schlief und sich erst wieder ans Lernen gewöhnen musste. Außerdem war sie am Boden zerstört, weil Titus ihr so schrecklich fehlte.
Sie spürte eine neue Welle von Traurigkeit heranrollen, die sie gleich darauf unter sich begrub. Diese tiefe Trauer war wahrscheinlich der Hauptgrund für ihre Erschöpfung. Mit der Schichtarbeit hatte sie kein Problem, und es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie sich wieder ans Lernen gewöhnt hatte. Aber würde dieser Schmerz, der so erbarmungslos in ihr wühlte, jemals aufhören?
Sie unterdrückte erneut ein Gähnen und holte den Generalschlüssel aus ihrer Schürzentasche. Das war heute Abend das zwanzigste Zimmer, in dem sie sorgfältig die Bettdecken zurückgeschlagen und die Kissen aufgeschüttelt hatte, bis sie watteweich waren.
Sie sehnte sich nach der Stille ihres winzigen Apartments, wo sie vor dem Schlafengehen noch ein wenig lesen wollte. Oder irgendetwas anderes, Hauptsache, sie widerstand der Versuchung, sich in ihrem Selbstmitleid zu suhlen.
Sie dachte an gestern Abend, als Titus plötzlich vor ihrer Tür gestanden hatte, so braungebrannt und vital, dass sie allein bei seinem Anblick fast schwach geworden wäre. Sie erinnerte sich, wie er ihr mit wutverzerrtem Gesicht seine Anklage entgegengeschleudert hatte … und dass sie sich nicht gewehrt hatte. Warum hatte sie das einfach so hingenommen? Warum hatte sie ihren Stolz hinuntergeschluckt und darauf verzichtet, sich zu verteidigen? Weil es so am besten war, versuchte sie sich verzweifelt einzureden. Weil es die einzige Garantie dafür war, dass er sie künftig in Ruhe ließ.
Sie nahm zwei Schokoladentäfelchen vom Handwagen und klopfte leise an der Tür der Suite, die sie sich bis zum Schluss aufgehoben hatte, weil es ihre Lieblingssuite war. Als alles ruhig blieb, schloss sie die Tür mit dem Generalschlüssel auf.
Kaum hatte sie die prächtig ausgestatteten Räumlichkeiten betreten, sah sie, dass sich in einer der Fensterscheiben eine Gestalt spiegelte, die mit dem Rücken zu ihr am Schreibtisch saß. Sie erstarrte, ihre Finger legten sich automatisch fester um die in Folie eingewickelten Schokoladentäfelchen. „Oh, tut mir leid, Sir. Ich dachte, hier ist niemand. Ich habe geklopft, aber …“
Aber die Worte erstarben ihr auf den Lippen. Sie hörte ihr Blut in ihren Ohren rauschen, als die Gestalt aufstand, sich umdrehte und mit federnden Schritten auf sie zukam. Eine kraftvolle Gestalt, mit rostbraunem Haar. Sie spürte, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich, während sich ihre Blicke trafen. Das war der Stoff, aus dem die Träume waren. Oder die Albträume.
„Was … was machst du hier?“, stammelte sie.
Titus stand reglos da und musterte eindringlich ihr blasses, gehetzt wirkendes Gesicht. Wie verletzlich sie aussieht, dachte er. In
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