Julia Extra Band 370
geblendet davon gewesen. „Okay.“
„Was hat dich an meiner Mutter so fasziniert?“
Sofort verkrampfte er sich. Die schlechte alte Zeit war nicht sein Lieblingsthema vor dem Abendessen. „Sie war eine großartige Dozentin.“
„Drei Jahre lang jeden Samstag?“
Hayden stand auf. Auf dem winzigen Bett ausgestreckt darüber zu reden fühlte sich einfach nicht richtig an. „Sie wusste so viel. Sie hat uns ihre ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt.“ Plötzlich wurde ihm klar, dass das nichts für ihre Tochter übrig ließ. Aber damals hatte er sich nach einer Mutter gesehnt. Irgendeiner. „Ich … konnte nicht mit meiner Mutter zusammen sein. Zeit mit deiner zu verbringen hat mir gutgetan. Sie hat mir geholfen, geerdet zu bleiben. Sie hat hohe Anforderungen gestellt.“
„Du sagst es“, murmelte Shirley, dann räusperte sie sich und sprach lauter weiter. „Als sie starb, warst du ziemlich verzweifelt.“
Ja. Alles, was er verdrängt hatte, um den Tod seiner Mutter zu überleben, war bei Carols Tod wieder hochgekommen. Nur hatte er schließlich etwas gefunden, was ihn tröstete. Pillen, Frauen, Alkohol. Sie hatten ihn über den Verlust hinweggebracht und ihn bis weit ins nächste Jahrzehnt abgestützt. Bis er vor ein paar Jahren einen radikalen Entzug von allen dreien gemacht hatte.
Sein Leben gerettet hatte.
„Ich nehme an, es war nichts im Vergleich zu deinem Verlust“, sagte Hayden leise.
Shirley ließ sich nicht auf diese Richtung des Gesprächs ein. „Ich habe mich immer gefragt, wo du danach deinen Wissensdurst befriedigt hast.“
„Habe ich nicht. Für mich ging es nie um das Wissen.“ Es ging darum, eine Mutterfigur in seinem leeren Leben zu haben.
„Warum hast du dann dieses Fach studiert?“
Hayden zuckte die Schultern. „Ich war gut darin.“
„Ich bin sicher, du warst in vielem gut.“
„Wirklich? Worin sonst? Sport? Musik? Glaubst du, in mir steckt ein Mathegenie?“
„Du bist intelligent genug, um ein erfolgreiches Unternehmen zu leiten. Das in letzter Zeit sogar noch erfolgreicher ist.“
Ihm wurde ganz warm. Shirley hatte ihn gründlich überprüft. „Also hat noch jemand fleißig gegoogelt.“
Sie ignorierte ihn. „Ich dachte, dass du aus einem bestimmten Grund nicht mehr im Unternehmen aufgetaucht bist.“
„Mir ist klar geworden, dass das Unternehmen zu ändern leichter ist, als mich selbst zu ändern.“
„In was hast du es umgewandelt? Aus deiner Website ist das schwer zu ersehen.“
Warum nicht? Irgendwann würde Shirley es herausfinden. Sie konnte es ebenso gut von ihm erfahren. „Ich habe meinen Master in Beeinflussung gemacht.“
Shirley prustete vor Lachen. „Hast du das erfunden?“
„Nein, ich bin damit reich geworden.“
„Du hast einige mächtige Großkunden, so viel konnte ich erkennen.“
„Kunden, die viel Geld für einen Blick in die Herzen und Köpfe ihrer Zielgruppe bezahlen.“ Als Shirley ihn scharf ansah, erinnerte sich Hayden daran, mit wem er sprach: Shiloh. Aber unerklärlicherweise vertraute er ihr. „Sie müssen wissen, wo sie bei möglichen neuen Käufern ansetzen und wie sie sie manipulieren können.“
„Das ist …“
„‚Lukrativ‘ ist das Wort, nach dem du suchst.“ War es nicht, doch es stimmte.
„Wodurch es nicht annehmbarer wird.“
So dachte Hayden inzwischen auch.
„Zeig mir, wie es funktioniert. An mir.“
„Oh, Shirley, ich glaube nicht, dass du wie alle anderen bist. Ich würde nicht behaupten, dass ich verstehe, wie dein Verstand arbeitet.“ Enttäuscht verzog sie den Mund, und Hayden überlegte schnell. „Ich kann dir zeigen, wie du es mit mir gemacht hast.“ Ihr zeigen, dass jedermann es in sich hatte, selbst die tugendhafte Shiloh.
Sie setzte sich auf die Kante des zweiten Betts und faltete die Hände auf dem Schoß. Es wirkte völlig sittsam und wahnsinnig aufreizend.
„Beeinflussen heißt, jemanden zu manipulieren, ihn so zu steuern, dass er tut, was du willst“, begann Hayden. „Sobald man jemanden so weit hat, dass er Ja zu etwas Kleinem sagt, ist er gedanklich daran gebunden. Dann ist es leichter, ihn zu etwas Größerem überzuleiten. Wenn ich will, dass du mein Auto kaufst, bringe ich dich dazu, dich hineinzusetzen. Wenn ich will, dass du dir als Erwachsene Geld von mir leihst, schenke ich dir in deiner Kindheit ein Sparschwein. Du wolltest, dass ich mich mit der Liste beschäftige. Du hast mich dazu gebracht, dich zuerst einmal in mein Haus zu lassen.“
„Tatsächlich bin
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