Julia Extra Band 370
…
Er hatte sich vorgestellt, dass Shirley und er bis spät in die Nacht reden und sich gut verstehen würden. An etwas zu denken, was darüber hinausging, hatte er sich nicht erlaubt. Aber ihre wilde Mähne hatte ihn beim Abendessen so gereizt, dass er davon geträumt hatte, ihr selbst das Haar zu zerzausen.
Sie hatte glücklich und zufrieden mit dem Kapitän ein langes Gespräch über Piraterie geführt. Hayden hatte von zwei Seiten unter Beschuss gestanden: auf der einen Caryns endloser Monolog, auf der anderen die Shirley-Marr-Show. Und dazu noch die Seeleute, die nicht wussten, dass er ein bisschen Griechisch verstand. Sie hatten ausgelassen die Vorzüge von sonnengebräunten Blondinen und erotischen Schwarzhaarigen miteinander verglichen.
Die Schwarzhaarigen gewannen.
Hayden hatte sich immer von willigen Blondinen verwöhnen lassen, obwohl er in seinem Innersten für kühle, geheimnisvolle Dunkelhaarige schwärmte.
Shannon. Courtney. Louisa. Dominique.
Er hätte Shirley so viele Namen nennen können, wie sie hören wollte. Geschwiegen hatte er, weil in ihren Worten mitschwang, dass er inzwischen längst mit einer von den Frauen zusammenleben sollte. Dass er versagt hatte.
Sah sie die Ironie nicht? Shirley trug mehr Schutzschilde um sich, als ein Mann überwinden konnte. Sie würde bis zu ihrem letzten Atemzug Single bleiben, da konnte sie noch so sehr an die große Liebe glauben, die wie ein Blitz einschlug.
Wie kam ausgerechnet sie dazu, ihn zu kritisieren? Hayden holte seine Jacke aus seiner Kabine und ging nach draußen in den Sturm.
Schon bevor er um die Ecke bog, hörte er Twuwus zufriedenes Wiederkäuen. Ein bisschen Zeit in Gesellschaft eines weiblichen Wesens ohne Erwartungen, ohne Meinungen und ohne Urteile war genau das, was er brauchte.
„Hayden?“
Verdammt. Schlechtes Timing.
„Machst du einen Spaziergang?“, fragte Caryn.
Ihr vorsichtiger Ton ließ Hayden daran denken, wie Shirley die Frau verteidigt hatte. Er seufzte. „Caryn, ich muss mich bei dir entschuldigen …“
Caryn nahm seine Entschuldigung an. „Ist es wegen Shirley?“
„Nein“, sagte Hayden sofort. Zu schnell. „Es ist eine so kurze Reise, Caryn …“
„Du machst auf mich nicht den Eindruck eines Mannes, der ein Problem mit einem flüchtigen Abenteuer hat.“
„Habe ich nicht.“ Hatte er zumindest bis jetzt nicht gehabt. Bei dem Gedanken runzelte er die Stirn.
„Ich dachte, zwischen uns hätte es gefunkt.“
Und ein kleiner Funke hätte früher wahrscheinlich genügt. Die Wahrheit – und das, was sie bedeutete – brannte in ihm. „Es liegt an mir.“
Caryn blickte ihn lange scharf an. „Na schön. Dein Pech.“
Vielleicht. „Komm, ich begleite dich zurück.“
„Oh Mann, jetzt auch noch ritterliches Benehmen? Du bist wirklich nicht interessiert!“
Zu lachen fühlte sich gut an. Und es fühlte sich gut an, Caryn mit Respekt behandelt zu haben. Diese Frau, die ihre Familie und ihr Heimatland liebte und einem Fremden stundenlang begeistert davon erzählte.
„Darf ich dich etwas fragen, Caryn?“
„Schieß los.“
„Ist dein Tierpark irgendwo in der Nähe von Queenstown?“
„Ungefähr vierhundert Kilometer entfernt.“
Oh. Tja, es war einen Versuch wert gewesen.
Sie bekam Mitleid mit ihm. „Aber wir fahren direkt an Queenstown vorbei.“
Hayden hob den Kopf. „Brauchst du unterwegs Hilfe mit Twuwu?“
„Nein.“ Caryn lachte. „Wir werden in Invercargill von einem ganzen Transportteam abgeholt. Warum? Braucht ihr eine Mitfahrgelegenheit?“
„Das ist eine lange Geschichte, aber: Ja.“
„Vielleicht lässt sich da etwas machen. Es sind immer mehrere Fahrzeuge dabei.“
Er hielt die Tür des Wohndecks für sie auf.
„Das ist meine.“ Caryn blieb vor einer Kabine stehen.
„Ich bin dir sehr dankbar für dein Verständnis, Caryn“, flüsterte Hayden.
Sie lachte und schloss ihre Tür auf. „Ich glaube, ich verstehe dich viel besser als du dich selbst.“
„Bis morgen.“
„Ja, in aller Herrgottsfrühe. Gute Nacht.“ Caryn verschwand in ihre Kabine.
Hayden lehnte sich an die Wand und blickte den Gang entlang zu Shirleys Tür. Hätte Shirley ihm Punkte dafür gegeben, dass er sich aus der Affäre gezogen und Caryns Stolz nicht verletzt hatte?
Er gab sich ein paar, und das kam nur selten vor.
Leise tappte er in seine Kabine und ging allein ins Bett.
7. KAPITEL
„Wir werden euch wahrscheinlich mitnehmen können, wenn wir nach Norden fahren.“ Caryn sah auf, als
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