Julia Extra Band 370
wiederum tat ihr Bestes, um zu verfolgen, was ihr gegenüber vor sich ging.
Caryn redete, und Hayden hörte zu. Zweifellos führte sie die Unterhaltung ganz allein. Andererseits war es sicher nicht Caryns Konversationsfähigkeit, für die sich Hayden interessierte. Und sie schien ebenso bereit zu sein, ihren Körper sprechen zu lassen. Sie drehte sich auf ihrem Stuhl herum und beugte sich vor, um ihn zu streifen oder zu berühren.
Schließlich waren sie mit Essen fertig, und Kapitän Konstantinos erhob sich. Shirley stand auch auf und lächelte ihn an. „Danke, Kapitän. Es war sehr nett.“
Er sagte, er freue sich auf das gemeinsame Essen am nächsten Abend, und küsste ihr die Hand.
„Dann bis morgen Abend“, erwiderte sie freundlich.
Hayden stand auf und lächelte Caryn an. „Dann bis morgen Abend“, wiederholte er munter, bevor er sich abwandte, um dem Kapitän die Hand zu schütteln.
Die Blondine sah verwirrt aus, und Shirley hatte flüchtig Mitleid mit ihr. Hayden hatte ihr zwei Stunden lang seine ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt, jetzt hieß es plötzlich „Gute Nacht“.
Shirley ging zur Tür, und Hayden kam herüber, griff über ihre Schulter und stieß sie auf. Der Wind war stärker geworden, deshalb schlugen ihr sofort wieder die Haare ins Gesicht. Ein Deck tiefer fiel Shirley fast durch die Tür in den Gang, Hayden stürzte hinter ihr hinein.
„Ich komme mit rein“, sagte er, als sie vor ihrer Kabine stehen blieb.
Prüfend sah Shirley ihn an. Er war verärgert. Aber es hatte keinen Zweck, dagegen anzureden – und um neun Uhr ins Bett zu gehen war selbst für sie ziemlich früh. Sie betrat ihre Kabine, ließ ihn hinein und schloss die Tür hinter ihnen.
„Bitte sprich mit mir über irgendetwas Sinnvolles.“ Er warf sich auf das zweite Bett. „Ich musste den ganzen Abend dieses Blabla ertragen.“
„Caryn hat von ihrem Zuhause gesprochen. Ihrer Familie. Von Dingen, die ihr wichtig sind.“
„Wie konntest du das bei all dem Griechisch auf deiner Seite des Tisches hören?“
„Es war ein kleiner Tisch.“
„Es waren die längsten zwei Stunden meines Lebens.“
„Das ist nicht fair, Hayden. Wenn es dich nicht interessiert hat, hättest du das Thema wechseln können.“ Jetzt stand Shirley wieder auf Caryns Seite. „Anstatt einen Beitrag zum Gespräch zu leisten, hast du bloß dagesessen und auf geheimnisvoll gemacht.“
„Ich wollte nicht geheimnisvoll sein. Ich wollte höflich sein.“
„War es höflich, zu gehen, sobald das Essen abgeräumt wurde?“
„Du bist auch gegangen.“
„Ich hatte kein so deutliches Angebot bekommen.“ Shirley stemmte die Arme in die Hüften und blickte wütend auf Hayden hinunter.
Er musterte sie durchdringend. „Ich wünschte, du könntest dich jetzt selbst sehen.“
Sofort fasste sie sich an ihr Katastrophenhaar. Und sie hasste es, dass sie so reagierte. Wie sie aussah, sollte keine Rolle spielen. Kuss hin oder her.
„Lass das“, warnte Hayden. „Du wirst es ruinieren.“
„Was ruinieren?“
„Das ganze herrliche Durcheinander. Zusammen mit den geröteten Wangen ist es perfekt.“
Sie ließ die Hände sinken. „Du meinst, windgepeitschtes Chaos ist der richtige Look für mich?“
„Es ist der Look, der dir besonders gut steht.“
„Warum?“
Hayden lächelte breit. „Wenn ich das sage, wirfst du mich raus, Shirley. Sprechen wir lieber über die Liste. Darüber, wie wir hoch nach Queenstown kommen.“
„Ich weiß es nicht. Es ist ein Abenteuer. Warten wir einfach ab.“
„Also schaffen wir es irgendwie bis dahin, springen von der Brücke und kehren zum Schiff zurück? Das finde ich schade. Neuseeland ist sehr schön. Und romantisch.“
„Wir fahren ja nicht wegen der Romantik hin, sondern wegen des Adrenalinstoßes.“
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es Carol gefallen hätte, Todesängste auszustehen.“
Shirley setzte sich auf ihr Bett. „Ich glaube nicht, dass es um die Angst geht. Es geht eher um die neue Empfindung, um den Kick. Den freien Fall. Meine Mutter hätte ebenso gut Fallschirmspringen wählen können.“
„Ich sehe sie auch nicht als einen Menschen, der Kicks brauchte. Sie war so …“
„Seriös?“
Hayden schüttelte den Kopf. „Intellektuell.“
„Dann haben intelligente Menschen kein Recht, empfindungshungrig zu sein? Ausgerechnet du meinst das?“
„Warum ‚ausgerechnet‘?“
„Weil du ständig neuen Erfahrungen und Vergnügungen nachjagst. Oder es getan hast.“
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