Julia Extra Band 370
Notizbuch in den Rucksack und zog den Reißverschluss zu, dann lehnte er sich zurück und starrte in seinen Kaffeebecher. War es doch Wunschdenken gewesen, dass sie im Grunde genauso war wie die Frauen, die er vor ihr leichter und schneller ins Bett gekriegt hatte? Vielleicht hatte er nur gesehen, was er sehen wollte?
Es wäre nicht das erste Mal.
„Verlegst du dich jetzt auf Kaffeesatzleserei?“, scherzte Shirley, als sie zurück ins Zelt kam. „Oh, du hast ihn gepackt. Danke.“ Sie warf sich den Rucksack über die Schulter, küsste Hayden auf den Mund und ging wieder hinaus. „Ich warte beim Transporter.“
Hayden ärgerte sich über das Wirrwarr. Ihr Verhalten? Durchaus entspannt. Ihr Kuss? Unbefangen. Sie schmeichelte ihm nicht, sie klammerte nicht. Tatsächlich hatte sie ihn gerade für interessantere Leute sitzen lassen. Nichts an ihrem Tun verriet, was das Kreuz an dieser Stelle ihm gesagt hatte.
Er schüttete den Rest Kaffee vors Zelt und griff nach seinem Rucksack. Vielleicht machte er mehr daraus, als es war. Entscheidend war ja wohl ihr Benehmen und nicht das, was sie privat aufschrieb.
In ihr Notizbuch …
Das so gut wie ein Tagebuch war …
Die ganze Gruppe stand vor einer Felswand in einem erodierten Wasserlauf. „Das hier war einmal ein Höhlensystem“, erzählte der Chefpaläontologe, „bevor alles einstürzte und ausgewaschen wurde, sodass das Plateau entstand, das wir heute sehen. Also stehen die Chancen recht gut, einige interessante Stücke zu finden.“
Hoffentlich war das Paläontologensprache für „Dinosaurier“.
Verteilt auf parallele Felder, durchkämmten sie in kleinen Teams den Wüstenboden. Während die Stunden vergingen, blickte Shirley immer wieder kurz Hayden an, der ein Stückchen weiter arbeitete. Irgendetwas war nicht in Ordnung.
Auf der Fahrt hierher hatte er kaum mit ihr gesprochen. Seit heute Morgen war er zerstreut und schweigsam.
Warum nahm sie sofort an, dass irgendetwas nicht in Ordnung war? Dass sie irgendetwas falsch gemacht hatte? Vielleicht waren ihm drei Tage Campen mit Konservenessen und Gaskocher-Kaffee einfach zu viel. Vielleicht brauchte er mehr Komfort, als er gedacht hatte.
Dennoch wurde Shirley die Sorge nicht los, dass es an ihr lag.
Oder an ihnen.
„Nichts?“, fragte sie laut.
Hayden sah auf, schüttelte den Kopf und untersuchte wieder den Boden.
Gekränkt verdoppelte Shirley ihre Anstrengungen. Grasbüschel. Erde. Stein. Merkwürdig geformter Stein …
„Eric?“ Sie rief den Experten herüber, der gerade eine Fundstelle mehrere Vektoren weiter markierte.
Als er fertig war, kam er zu ihr. „Was hast du?“
„Einen eigenartigen Stein.“
„Ausgezeichnet“, murmelte Eric. Einen Moment später schien er schon vergessen zu haben, dass sie neben ihm stand. Er legte einen runden Holzrahmen um den Stein, steckte ein Markierungsfähnchen daneben und begann, mit einer Kelle die Erde darum auf ein Sieb zu schaufeln.
Shirleys Aufgabe war es, weiterzusuchen. Sie sah zur Seite und fing Haydens Blick auf. „Ist alles okay?“, fragte sie, als sie langsam vorwärtsging.
„Ja. Alles gut.“
„Hayden, du bist viel zu grimmig, um überzeugend zu sein.“
Er zögerte. „Dies ist unser letztes gemeinsames Abenteuer.“
Ihr wurde ganz warm ums Herz. Weil er es wusste. Weil es ihm nicht egal war. „Ja. Ich dachte, dass dir das gar nicht bewusst ist.“
Die Röte stieg ihm ins Gesicht. „Ich habe eine nummerierte Liste, die mich auf dem Laufenden hält.“ Er räusperte sich. „Und? Was passiert jetzt?“
Wie schrecklich, dieses Gespräch hier zu führen. Während sie drei Meter voneinander getrennt waren, umgeben von anderen, die je nach Entfernung mehr oder weniger gut mithören konnten. Und Eric war dicht hinter ihr, wenn auch völlig in die Ausgrabung ihres Steins vertieft.
Shirley holte tief Luft. „Was möchtest du denn?“
„Wir sind da irgendwie hineingeraten“, erwiderte er. „Ich bin nicht sicher, wie wir da wieder herauskommen.“
Er wollte die Sache beenden. Gerade, als sie glaubte, sie wären über eine oberflächliche Affäre hinaus. Natürlich wollte er das. Warum hatte sie etwas anderes erwartet? Aber sie dachte ja gar nicht daran, sich ihre maßlose Enttäuschung anmerken zu lassen. „Wie befreist du dich sonst aus einer Beziehung, die unbefriedigend ist?“
„Sie ist nicht unbefriedigend, Shirley.“
„Entschuldige. Eine Beziehung, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, hätte ich vielleicht
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