Julia Extra Band 370
Stunde Fahrt. Je eher sie sich in den Armen lagen, desto besser.
„Heißt das, du willst dir mein Haus nicht ansehen?“
„Welches Haus?“
„Das hinter dem Anlegesteg.“
Shirley drehte sich um und blickte den Kanal entlang in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Dort stand ein riesiger beigefarbener Betonklotz mit einem makellosen Rasen davor. „Das gehört dir?“
Hayden nickte. Beobachtete sie genau.
„Mir gefällt das Cottage besser.“
„Mir auch, eigentlich.“
„Aber es ist schön nah“, neckte Shirley ihn und zupfte am Ausschnitt ihrer Bluse. Sie liebte es, wie er sofort seine Aufmerksamkeit darauf richtete, ganz offensichtlich fasziniert davon. Von ihr.
„Du möchtest es sehen?“
Sie zuckte die Schultern, die Gleichgültigkeit in Person. „Du hast mir ein Boot geschnitzt, das verdient wohl eine Belohnung.“
Hayden wendete die Gondel und stakte im Eiltempo zurück zum Anlegesteg.
Fasziniert verfolgte Shirley das Spiel seiner Muskeln, doch seine Frage ging ihr noch immer nicht aus dem Kopf. Warum war sie fast besessen von der Liste, seit sie sie entdeckt hatte? Warum hatte sie in den vergangenen zehn Jahren ihr Leben danach ausgerichtet, sie zu verwirklichen?
Warum die Liste?
„Mein trautes Heim.“ Hayden schob die Terrassentür auf und ließ Shirley den Vortritt in den blendend weißen, tadellos aufgeräumten Wohnbereich.
„Nein. Du wohnst hier nicht.“ Ein Haus voller Requisiten, die ein Innenarchitekt ausgesucht hatte. Keine Unordnung. Keine Pflanzen. Keine Bücher. Vor allem Letzteres verriet ihn – Haydens Cottage quoll über von Büchern. „Wahrscheinlich bringst du Frauen hierher. Vielleicht übernachtest du hier, wenn du spätabends noch Meetings hast. Aber du wohnst hier nicht.“
„Ich habe es getan. Jahrelang.“ Er nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem riesigen Edelstahlkühlschrank.
Shirley glitt auf den weißen Ledersitz eines Barhockers. „Wann bist du ins Cottage gezogen?“
„Vor zwei Jahren. Als ich aufgehört habe, im Büro zu arbeiten.“
„Warum das?“
„Ich brauchte Zeit, um nachzudenken.“
Ihre Leben waren so verschieden. Allein die Idee, einfach für zwei Jahre auszusteigen, um „nachzudenken“! „Und was haben sie alle gesagt, als du kürzlich wiederaufgetaucht bist?“
„Ich habe die Vorzimmerdamen zum Mittagessen ausgeführt. In der Zeit mussten die Manager am Empfang sitzen.“
Shirley lächelte. „Das ist sicher gut angekommen.“
„Der eine ist gut damit fertig geworden. Der andere weiß jetzt, wo seine Wissenslücken liegen.“
„Und die Vorzimmerdamen?“
„Sie hatten ein nettes Mittagessen und haben mir schließlich beschwipst verraten, was wirklich vorgegangen ist, während ich weg war.“
„Das wird ganz schön hart, wenn du anfängst, Leute zu entlassen“, murmelte Shirley.
Hayden schob ihr ein Glas Wasser hin. „Niemand wird entlassen. Ich bestrafe niemanden für etwas, was meine Schuld ist. Ich habe mich zu sehr darauf konzentriert, die Auftraggeber zufriedenzustellen. Dabei habe ich das Team vernachlässigt. Das ist mein Fehler, nicht ihrer.“
Lange blickte Shirley ihn an. Diese neuen Seiten an ihm beunruhigten sie, verwirrten sie noch mehr. Hayden arbeitete mit NGOs zusammen, gab seine Fehler zu, baute selbst ein Boot. Was sollte das? Versuchte er, unwiderstehlich zu sein?
Sie schüttelte den Kopf. „Wer bist du?“
„Die bessere Frage wäre: ‚Wer war ich?‘“ Hayden lehnte sich an die Kücheninsel. „Und die Antwort wäre: ‚Ich war ein egozentrischer Mistkerl mit Scheuklappen vor den Augen.‘“
„Du sprichst in der Vergangenheit?“
„Jemand hat mir geholfen, die Dinge ein bisschen anders zu sehen. Meinen Horizont zu erweitern.“
„Bin ich vielleicht dieser Jemand?“
Hayden zuckte zusammen. „Jemand muss ja von sich eingenommen sein und unerträglich werden, wenn ich darauf antworte.“
„Nicht, dass du die Anzeichen dafür kennen würdest“, sagte Shirley lächelnd.
Er erwiderte ihr Lächeln. „Überhaupt nicht.“
„Wie schade. Ich finde Selbstbewusstsein sehr reizvoll. Fast so reizvoll, wie ich es finde, dass du überall den Bad Boy gibst.“
Aber nur, weil sie zu verstehen begann, dass es nur eine Maske war. Gut möglich, dass das nur ein anderer Maskenträger bemerken konnte.
„Ich wusste nicht, dass mich mein Bad-Boy-Image anziehend macht.“ Hayden stellte sein Glas auf die Arbeitsfläche und ging auf Shirley zu.
Sie lachte. „Zu spät. Du hast dich jetzt
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