Julia Extra Band 370
Büro – schützten, waren es nur wenige Meter, und doch schien es Chloe eine unüberwindliche Strecke zu sein. Oder auch viel zu kurz, denn ihr Herz hämmerte wie wild.
Jean öffnete die Türen für sie und nickte ihr mit einem aufmunternden Lächeln zu. Wie gern hätte Chloe sich noch einmal bedankt für die Herzlichkeit und das Mitgefühl, die sie im Blick der Älteren erkannte, aber die Stimme wollte ihr nicht gehorchen. So nickte sie nur und inspizierte stattdessen das Reich ihres Exmannes, denn es war leichter, sich auf die Umgebung zu konzentrieren als auf ihn.
Aristons New Yorker Büro war noch genauso, wie sie es in Erinnerung hatte. In der Mitte ein wuchtiger Schreibtisch aus dunklem Mahagoniholz, davor zwei schwere Ledersessel und ein Beistelltisch. Gleich neben der hohen Fensterfront bildeten zwei große burgunderrote Sofas die Sitzecke, zwischen ihnen lag der handgewebte Perserteppich, den Chloe während der Flitterwochen für Ariston gekauft hatte. Es wunderte sie, dass er den Teppich behalten hatte.
Obwohl … er war nicht der sentimentale Typ, also sollte es sie nicht verwundern. Der Teppich passte heute so gut in sein Büro wie vor fünf Jahren.
Und dann trafen sich ihre Blicke – zum ersten Mal seit zwei Jahren. Aristons azurblaue Augen bohrten sich in ihre grünen.
Chloe wurden die Knie weich. Sie hatte ihn vermisst. Sehr sogar. Der dumpfe Schmerz in ihrem Innern hatte sich in den vierundzwanzig Monaten, die sie sich jetzt bemühte, Ariston zu vergessen, nicht reduziert. Allgemein wurde behauptet, Zeit heile alle Wunden, doch ihre Wunde klaffte noch genauso weit offen wie an dem Tag, an dem ihre Ehe geendet hatte. Emotionen schwappten über Chloe, die sie weder eingestehen noch genauer analysieren wollte.
Hinter seinem Schreibtisch hob Ariston eine Augenbraue. „Möchtest du einen Kaffee, oder bleibst du nicht so lange?“ Sie öffnete den Mund – und schloss ihn wieder, ohne zu antworten. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Mann vor sich.
Er hatte sich kein Deut verändert. Aber warum hätte er auch?
Sie schon. Ihre ein Meter fünfundsiebzig große Gestalt war knochig geworden, und obwohl sie das braune Haar noch immer mit Strähnen aufhellte, fiel es ihr nun in langen Wellen bis auf die Schultern.
Während ihrer Ehe hatte Ariston immer wieder angemerkt, dass er langes Haar mochte, doch sie hatte es damals nie wachsen lassen. Warum, konnte sie bis heute nicht genau sagen. Damals hatte Chloe sich deswegen unabhängiger gefühlt. Als wäre ihre Weigerung der Beweis, dass sie sich selbst treu bleiben konnte – auch wenn sie in einen Mann verliebt war, den sie nur aufgrund einer geschäftlichen Abmachung geheiratet hatte.
Dieses Gefühl von Unabhängigkeit war jedoch leider nur ein schwacher Trost gewesen, als sie Ariston verlassen musste.
Sie hatte keine andere Wahl gehabt. Nach drei Jahren Ehe fand Chloe heraus, dass ihr Mann von Anfang an die Scheidungspapiere bereitliegen hatte. So war es zwar in der ursprünglichen Vereinbarung ausgemacht gewesen … Trotzdem, ihr Stolz hatte verlangt, sofort zu reagieren.
Als Erste diesen unumkehrbaren Schritt zu tun hatte jedoch nicht die erhoffte tröstende Wirkung gehabt. Sie war erst fünfundzwanzig, aber Kummer und Sorge hatten feine Linien um ihren Mund und ihre Augen eingegraben.
In Aristons Gesicht gab es keine solchen Linien. Auch kein einziges graues Haar ließ darauf schließen, dass vielleicht Kummer an ihm genagt hätte. Nein, sein Haar war dicht und schwarz, perfekt kurz geschnitten, und die leichte Andeutung von Locken verriet seine griechische Abstammung.
Ariston sah überwältigend gut aus wie eh und je, seine Miene wie üblich undurchdringlich und seine Manieren wie immer makellos.
Liebe, Sehnsucht und Schmerz – die Emotionen kamen jäh und wollten Chloe mitreißen. Nein, sie war nicht gegangen, weil sie es gewollt hatte. Sie war gegangen, weil ihr nichts anderes übrig geblieben war.
Zwei Jahre war es her, und erschreckenderweise wollte sie ihn noch immer, so als hätte sie die Wohnung in Athen erst gestern verlassen.
Auch in dem maßgeschneiderten Anzug, den er trug, ließ sich der ein Meter neunzig große muskulöse Körper erahnen, der ihr im Ehebett so viele Freuden geschenkt hatte. Als unberührte Jungfrau hatte Chloe Leidenschaft bisher nur mit einem Mann erfahren – mit diesem.
Engel … Dämon … es war dieser Mann, der Gefühle in ihr wachrief, die sie sich nicht erlauben konnte. Und erst, als er
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