Julia Extra Band 372
Schlag es dir aus dem Kopf, dass J. C. mit dir auf Weltreise geht. Auf solch eine Verrücktheit wird er sich niemals einlassen.“
Das Bild, das sie an dem ersten Tag im Diner von J. C.s Vater gewonnen hatte, änderte sich später nicht mehr groß. John Carson war ein harter Mann. Sie hatte ihn nicht oft gesehen, aber wenn, dann hatte er jedes Mal keinen Zweifel daran gelassen, wie unpassend er Grace für seinen Sohn fand.
Vielleicht hatte er recht gehabt. J. C. war zu einem smarten, angesehenen, verantwortungsvollen Mann geworden. Alles an ihm strahlte Erfolg aus. Sie hingegen gondelte immer noch mit nicht viel mehr als ihrem Pass und einem Rucksack um die Erde.
„Eis macht offenbar müde.“ J. C. nickte in Richtung Henry, der in der Ecke der Sitzbank zusammengerollt dalag.
Grace sah den kleinen Jungen an. Mit offenem Mund atmete er regelmäßig ein und aus. Womöglich hatte sie ihn zu Tode gelangweilt. „Wir haben uns eigentlich nur über Pferde unterhalten.“
„Ich weiß deine Hilfe zu schätzen. Mehr, als du ahnst.“ In J. C.s Augen zeigte sich echte Dankbarkeit.
Sie sahen sich an, und der Augenblick dehnte sich, als liefe in ihm gedrängt noch einmal ihre gemeinsame Geschichte ab.
Grace hatte sich nichts mehr gewünscht, als mit J. C. aus der Stadt aufzubrechen und die Welt zu erobern: Sie mit ihren Texten, er mit seiner Musik. Doch über Nacht schien er zu einer anderen Person geworden zu sein. Er hatte noch nicht einmal selbst den Mut gehabt, ihr zu sagen, dass es aus war zwischen ihnen, sondern hatte seinen Vater vorgeschickt. Als sie darauf zum Haus der Carsons gefahren war, hatte sie ihn mit einer anderen im Arm auf der Veranda gesehen. Noch am selben Tag hatte sich Grace aus Beckett’s Run davongemacht.
Sie spürte die Verletzung von damals immer noch wie einen Stachel. Wo war der andere J. C. geblieben? War sie etwa einst einer Täuschung erlegen und hatte in ihm einen anderen gesehen, als er wirklich war?
„Was ist mit deiner Gitarre?“, fragte sie ihn.
„Hin und wieder habe ich noch gespielt und wäre sogar fast in die College-Band gegangen, doch dann kam so viel dazwischen. Und …“, er zuckte fast entschuldigend mit den Schultern, „jetzt habe ich immer so viel zu tun.“
„In meinen Augen warst du der nächste große Rockstar.“
„Ach, manche Träume sind einfach nicht realistisch.“
„Darum sind es doch Träume, oder nicht? Damit man auch mal die Realität vergisst.“
Spöttisch meinte er: „Vermutlich kann man mich als alles bezeichnen, nur nicht als unrealistischen Träumer.“
„Da bin ich mir nicht so sicher. Ich wette, tief in dir steckt noch etwas von einem Rockstar.“ Zumindest wünschte sie sich das. Sie wünschte sich den J. C. zurück, den sie von früher kannte. Doch warum? Wohin sollte das führen?
„Wenn das je in mir war“, erklärte J. C. leise, „dann haben es mir die letzten Jahre ausgetrieben.“
Er führte das nicht weiter aus, und obwohl Grace gerne nachgefragt hätte, hielt sie sich zurück. „Wie schade.“
„Ja“, sagte er seufzend, „das ist es.“
Grace spürte, wie sehr J. C. bemüht war, nicht alles zu erzählen. So wie er ihr früher alles erzählt hatte, wenn sie nebeneinander am Fluss saßen. Oder jedenfalls fast alles. Es schien aussichtslos, und so wandte sie sich einem anderen Thema zu.
„Nach meiner Hilfe mit Henry könntest du mir doch auch helfen, oder?“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Ich kenne dich, Grace. Wenn du mich um etwas gebeten hast, war der Ärger nie weit. Mindestens Hausarrest, wenn nicht Schlimmeres.“
Sie lachte. „Diesmal bestimmt nicht. Es geht um Grandmas Buchklub. Die Damen wollen noch vor Weihnachten mit dem Buch fertig werden und treffen sich darum morgen schon wieder. Es wäre schön, wenn du mich begleitest.“
„Ich? Warum?“
„Weil du ein gut aussehender Mann bist und ihnen dann nicht auffällt, dass ich das Buch nicht gelesen habe.“
„Du hältst mich also für gut aussehend?“, sagte er, begleitet von einem unwiderstehlichen Lächeln. Grace sah verlegen zur Seite. Würde ihr Verhältnis denn nie normal werden?
Sie verfluchte die Hitze, die ihr in die Wangen stieg. Normalerweise war sie alles andere als schüchtern. Sie rettete sich in Sarkasmus. „Ich bitte dich, J. C. Unseren Mister Herzensbrecher dürfte das nicht gerade überraschen.“
„Ich bitte dich, dieser Jahrbuch-Quatsch ist doch schon lange her.“ Er lachte, doch nur kurz, dann fiel sein Blick auf Henry. Die
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