Julia Extra Band 372
gehabt hatte. Sie nahm sich vorsichtshalber schon mal Servietten, falls das Rumgeschmiere weitergehen sollte.
J. C. stand auf, um im Gang in Ruhe zu telefonieren.
Grace beseitigte das restliche Eis, das noch auf dem Tisch war. Henry beobachtete sie, den Löffel im Mund. „Henry, ich glaube, du solltest dir mal den Mund abwischen.“ Sie reichte ihm eine Serviette, mit der er sich über den Mund fuhr. Dann warf er sie auf den Tisch.
„Du hast immer noch überall Eis. Wisch dir noch einmal den Mund.“ Grace reichte ihm eine weitere Serviette.
Henry rieb sich kräftig über die Lippen, doch das richtete nichts gegen die Schokoränder auf seiner Wange aus.
Grace lachte. Als Kind war sie genauso gewesen. „Du brauchst wohl etwas Hilfe. Komm her.“ Sie nahm eine Serviette und feuchtete sie in ihrem Wasserglas an. Dann beugte sie sich über den Tisch und wischte ihm über die Wange. Mit einer zweiten Serviette machte sie seine Hände sauber.
„Danke.“
„Gerne doch.“ Grace beobachtete Henry dabei, wie er sich wieder seinem Eisbecher widmete. Solange er aß, musste sie sich keine Gedanken machen, wie sie ihn beschäftigen konnte.
„Möchtest du auch?“ Henry schob ihr den Eisbecher zu. Sein Gesicht war schon wieder ganz verschmiert.
„Danke, nein“, sagte Grace. „Ich will dir nichts wegessen.“
„Meine Mom hat immer mit uns geteilt. Sie hat gesagt, wenn man …“, er versuchte, sich an das richtige Wort zu erinnern, „… höflich ist, macht man das.“
„So ist es.“ Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Der Junge vermisste seine Mutter sicher fürchterlich. Grace hatte Emily, J. C.s kleine Schwester, gekannt. Die quirlige Emily, offenherzig und beliebt. Grace konnte sie sich gut als Mutter vorstellen, wie sie mit den Kindern Plätzchen backte und schöne Sachen bastelte.
Unbehaglich kritzelte Grace auf ihrem Block herum. Henry beobachtete sie dabei, als warte er, dass sie etwas sagte. „Es tut mir leid. Das mit deiner Mutter.“
Henry nickte.
„Aber dein Onkel J. C. ist doch nett, oder?“
Er nickte erneut.
„Also, Henry, hast du schon mal auf einem Pferd gesessen?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Aber im Zoo, da waren Pferde. Und ich wollte auf einem reiten, aber dann hat es so ein Geräusch gemacht, und da hatte ich Angst.“
„War es so ein Geräusch?“ Grace schnaubte. Henry nickte heftig. Sie lachte ihn aufmunternd an. „Weißt du, das ist mir auch passiert, als ich noch ein kleines Mädchen war. Ich habe sogar geweint, so viel Angst hatte ich. Vielleicht war es das gleiche Pony.“
„Ein böses Pony ist das.“
„Ach was.“ Grace lächelte ihm zu. „Es hat einfach Angst vor dir. Darum macht es so ein lautes Geräusch. Damit du Angst vor ihm hast und nicht siehst, wie viel Angst es selber hat. Vor einem großen Jungen wie dir.“
„Aber ich bin gar nicht groß.“
„Für das Pony schon. Und darum hat es Angst. Du musst ganz leise mit ihm reden, dann beruhigt es sich.“
„Wirklich?“
„Klar. Wenn du das nächste Mal in den Zoo gehst, musst du es mal ausprobieren. Sprich einfach mit dem Pony.“
Kurz strahlte Henry, doch dann erstarb sein Strahlen, als ließe es sich per Knopfdruck ausstellen. „Mom und Dad sind immer mit mir in den Zoo gegangen. Mom mochte die Tiere.“
Grace wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Zum Glück kam J. C. zurück. Er legte sein Telefon auf den Tisch und setzte sich. „Danke.“
„Kein Problem.“
Er senkte die Stimme. „Es ist gerade sehr schwer. Meine Mutter gibt ihr Bestes, aber manchmal kommt sie nicht gegen ihre eigene Trauer an.“
Die Kellnerin kam und servierte die Teller ab. „Darf es noch etwas sein?“, fragte sie.
„Für mich nicht. Außer neuen Servietten vielleicht.“ Grace wies auf den leeren Spender. „Wir bringen J. C. gerade bei zu essen.“
Die Kellnerin lachte und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Ein Gefühl der Eifersucht durchschoss Grace.
„Ich bringe gleich neue Servietten.“ Damit ging die Kellnerin. Grace fragte sich, woher ihre Eifersucht gerade gekommen war. Natürlich hatte J. C. in all den Jahren Freundinnen gehabt. Aber er war nicht verheiratet, das hatte ihr seine Hand mittlerweile verraten. Dabei hatte es damals so geschienen, als sei die Ehe das Wichtigste überhaupt für ihn.
Wofür sie nicht infrage gekommen war, daran hatte sein Vater keinen Zweifel gelassen. „Du bist nur eine Affäre“, hatte er zu ihr gesagt. „Nichts als ein netter Zeitvertreib.
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