Julia Extra Band 372
jüngste der McKinnon-Schwestern hatte die ständige Unsicherheit bei ihr tiefste Narben hinterlassen.
Und trotzdem hatte J. C. sie stets für ihre Stärke bewundert. Jetzt erst verstand er, dass das alles nur Fassade gewesen war, um sich nichts anmerken zu lassen. „Was dir Angst macht, ist nicht, anderen Leuten zu vertrauen“, sagte er mit sanfter Stimme, „sondern dass andere Leute dir vertrauen könnten.“
Sie wollte etwas entgegnen, doch dann schloss sie den Mund wortlos.
„Wenn du dich auf nichts einlässt, dich nirgendwo niederlässt, kann auch niemand etwas von dir erwarten.“ Er lächelte Grace ermutigend an. Ihr Auge mochte scharf sein für das Handeln und die Motivation der anderen. Aber sie war blind für ihre eigenen Motive. „Du ahnst gar nicht, wie sehr ich dir immer vertraut habe. Ich bin dir gefolgt, wohin auch immer du gegangen bist und egal wie verrückt es war, was du gewagt hast. Ohne dich hätte ich mich das alles nicht getraut.“
„Und was hat es dir gebracht? Einen Haufen Ärger.“
„Du bist mit achtzehn alleine auf Weltreise gegangen. Wer macht das sonst schon? Du bist der mutigste Mensch, den ich kenne, Grace. Nur kannst du es selbst nicht sehen.“ Er legte ihr die Hand an die Wange und sah ihr in die Augen. Er liebte sie so unendlich. „Trau dich einfach, mich zu lieben. So wie ich dich liebe.“ Er presste ihr sanft die Lippen auf den Mund und betete innerlich, dass es nicht der letzte Kuss sein würde. „Komm heute Abend zum Fest. Ich möchte dir etwas zeigen. Ich werde gegen sieben im Pavillon sein.“
„Vielleicht. Ich kann es dir aber noch nicht versprechen, J. C.“
Wenn Grace bei ihrer Großmutter auf ein wenig Ruhe und Frieden gehofft hatte, so wurde sie enttäuscht. Kaum hatte sie die Tür geöffnet, wurde sie von ihren Schwestern in einen Reigen aus Umarmungen und aufgeregtem Geplapper gezogen. Hope und Faith verhielten sich, als ob es nie eine Entfremdung zwischen den drei Schwestern gegeben hätte. Grandma stand im Hintergrund mit Lydia und Greg und zwei fremden jungen Männern.
Am liebsten wäre Grace gleich wieder rausgelaufen. Sie dachte an ihren Rucksack, der fertig gepackt in ihrem Zimmer stand.
Dann fielen ihr J. C.s Worte ein.
Er liebte sie.
Wie lange hatte sie auf dieses Geständnis gewartet? Doch kaum hatte sie es gehört, setzte auch schon wieder ihr Fluchtinstinkt ein. Ihr Herz schlug so laut und schnell, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.
„Endlich kommst du“, sagte Hope. „Wir warten schon seit Stunden.“
Grace setzte ein Lächeln auf. „Entschuldigt, ich wurde beim Wintervergnügen aufgehalten.“
„Und wir haben schon befürchtet, du würdest einfach vor dem Weihnachtsfest abhauen. Dabei wäre es ohne dich gar kein richtiges Fest.“ Faith drückte ihre Schwester fest an sich.
Grace erwiderte die Umarmung und schwor sich, in Zukunft den Kontakt zu ihren Schwestern besser zu pflegen. Zu lange waren sie rund um den Globus verstreut gewesen, in England, Kanada, Australien – nun wurde es Zeit, dass sie wieder näher zusammenrückten.
Faith sagte: „Und du weißt gar nicht, was für Neuigkeiten dir entgangen wären, wenn du abgehauen wärst.“
„Neuigkeiten? Welche Neuigkeiten?“
„Wir heiraten!“, erklärten Faith und Hope gleichzeitig.
Sie zogen die beiden Männer herbei und stellten sie als Blake und Marcus vor, ihre Verlobten. Hope und Faith übertönten sich gegenseitig, als sie von dem Rancher erzählten, der Hopes Herz gewonnen hatte, und dem Earl, der Faith erobert hatte.
„Das ist so wunderbar“, rief Grace aus und umarmte ihre Schwestern. Doch im selben Moment schon regte sich in ihr wieder der Neid.
Wenn sie nur ein bisschen mehr Mut gehabt hätte, dann könnte sie jetzt mit ihren Schwestern feiern. Mut, Ja zu sagen, als J. C. sie gebeten hatte, bei ihm zu bleiben, hier in Beckett’s Run.
„Das ist einfach wunderbar“, sagte sie noch einmal und wandte sich Blake und Marcus zu. So wie sie Hope und Faith anstrahlten, bestand kein Zweifel an dem kommenden Glück. Ihre Schwestern verdienten es.
Doch eine Frage drängte sich ihr auf: Und was ist mit mir?
Grace wurde die Brust eng. Schnell stotterte sie eine Entschuldigung. „Ich … ich muss noch einen Text fertig machen und rausschicken. Wir sehen uns später.“ Damit eilte sie nach oben.
In ihrem Zimmer warf sie sich aufs Bett. Ihr Herz raste, und sie konnte kaum noch atmen. Hilflos fragte sie sich, was das zu bedeuten hatte. Es war
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