Julia Extra Band 372
Tagen eine Menge aus meinem Leben erzählt. Jetzt könnten Sie mir auch etwas von sich erzählen.“
„Und ich habe Ihnen von meinen Mandanten erzählt.“
„Aber Sie wollen mir nicht sagen, wovor Sie davonlaufen?“
„Ich laufe vor nichts davon. Ich habe mich in Kalifornien niedergelassen, weil ich dort gut verdiene.“
„Und in New York werden Anwälte nicht gut bezahlt?“
„Dort war ich Staatsanwalt. Öffentlicher Angestellter. Da verdient man nicht schlecht, aber keine Millionen. Jetzt verdiene ich Geld wie Heu. Das sollte als Begründung ausreichen.“
Sie wusste, dass mehr dahintersteckte, hakte aber nicht nach. Seine ganze Haltung änderte sich, wenn er die Mauern um sich herum hochzog. Das Leuchten in seinen Augen erlosch, der Mund wurde hart, die Schultern verkrampften sich, als wappne er sich für eine Schlacht.
Sie stiegen wieder ins Auto, und bevor sie weiter ins Grübeln über ihn verfiel, kehrten ihre eigenen Sorgen mit Macht zurück. Je näher sie Four Corners kamen, desto nervöser wurde sie.
„Genau aus diesem Grund habe ich beschlossen, Sie die ganze Strecke zu fahren“, sagte Jared, als sie den halben Staat North Carolina durchquert hatten. Sie hatten die Ausfahrt nach Raleigh passiert, wo ihr Bus hingefahren wäre, und jetzt wurde er langsam nervös. Er befürchtete, sie könnte solche Angst bekommen, dass sie ihr eigentliches Ziel gar nicht mehr anfahren wollte.
„Sie sind so still, so wortkarg. Ich schätze, Sie haben beschlossen, Ihr Haus so zu verkaufen, wie es ist. Aus Furcht vor dem, was Sie in Four Corners erwarten könnte.“
„Spielen Sie jetzt den Hellseher?“
„Nein, aber ich kenne diese Angst selbst so gut, dass ich sie anderen nachempfinden kann.“ Er deutete auf die Ausfahrt. „Wir sind jetzt schon an Raleigh vorbei. Gut, der Bus fährt vielleicht nicht direkt bis zum Haus Ihrer Großmutter, aber ich fürchte, Sie haben mir bewusst nicht gesagt, dass ich hier rausfahren soll.“
„Es ist die nächste Ausfahrt.“
Ihre Stimme klang tonlos, und er drängte sie nicht weiter. „Haben Sie je daran gedacht, dass es ein großer Vertrauensbeweis von Ihrer Großmutter ist, Ihnen das Haus vermacht zu haben?“
„Ja.“
Er sah sie fragend an und wartete auf eine Erklärung.
„Aber das bedeutet nur, dass mein Dad keine weiteren Kinder hatte, es also niemand anderen gab, dem sie es hätte vermachen können.“
„Vielleicht tat es Ihrer Großmutter leid, dass sie nie mit Ihnen Kontakt aufgenommen hat. Oder vielleicht will sie wiedergutmachen, dass ihr eigener Sohn Sie nicht unterstützt hat?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich halte es für wahrscheinlicher, dass niemand sonst da war und meine Großmutter nicht wollte, dass der Familienbesitz dem Staat zufällt. Sie dachte wohl, ich bin immer noch besser als gar niemand.“
Ihr letzter Satz traf Jared ins Mark. Er hatte sein Exil selbst gewählt. In den vergangenen fünf Jahren hätte er jederzeit nach Hause zurückkehren können. Er wollte allein sein. Elise hingegen sehnte sich nach einer Familie.
Bei der nächsten Ausfahrt fragte er: „Hier raus?“
Sie nickte und zeigte auf das Schild: „Noch zwanzig Meilen.“
„Sie glauben also nicht, dass Ihre Großmutter Ihnen mit dem Haus eine Lebensgrundlage schaffen wollte?“
„Ob sie es wollte oder nicht, es ist eine Lebensgrundlage.“ Sie holte tief Luft. „Aber eigentlich ist es egal, warum sie es mir vererbt hat. Nur das Ergebnis zählt.“
„Sie sind immer noch nervös.“
„Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass mein Vater noch weitere Kinder hatte, und meine Großmutter bestimmte Gründe sah, ihnen das Anwesen nicht zu geben. Vielleicht war sie reich und hat ihnen etwas anderes vermacht. Oder vielleicht mochte sie ihre Enkel nicht und wollte sie strafen, indem sie ihnen das Haus vorenthielt.“ Sie seufzte tief. „Das könnte bedeuten, dass ich in Zwistigkeiten hineingerate, die vor Gericht enden.“
Er war froh darüber, dass sie ihre Befürchtungen endlich ausgesprochen hatte. Doch ein Blick in ihr Gesicht zeigte ihm, wie sie sich wirklich fühlte: verletzlich, ängstlich und allein.
„Ich kenne einen guten Anwalt.“
Diesmal kam ihr Lachen von Herzen. „Sie sind über alle Berge, bevor sich das alles herausstellt.“
Genau das bereitete ihm Sorgen, denn sie hatte recht. Ihre Halbgeschwister könnten abwarten, bis sie das Haus instand gesetzt hatte, und dann ihren Anteil einfordern, ohne einen Finger gerührt zu haben. Er
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