Julia Extra Band 372
bin gut in Erster Hilfe.“
Imogen wandte sich um und nickte wortlos. Noch einmal ließ sie ihren Blick über seinen Körper gleiten. Er war bestimmt gut in allem, was er tat. Ob er eine Ahnung hatte, wie verführerisch er jetzt aussah? Die langen Beine, der muskulöse Brustkorb, das feuchte zerzauste Haar, all das ließ ihn wie eine bronzene Statue erscheinen. Viel besser als Michelangelos David in Florenz. Der war aus Marmor. Dies war ein richtiger Mann. Imogen gab keine Antwort, sondern humpelte zu ihrer Zimmertür.
Diesmal funktionierte die Karte sofort. Das kleine grüne Licht leuchtete auf, und sie hörte das Knacken im Schloss. Dem Himmel sei Dank!
Einen letzten Blick gönnte sie sich noch. Der Fremde war zu seinem Zimmer zurückgegangen, aber in der offenen Tür stehen geblieben. Er lächelte noch immer, als wisse er genau, was in ihrem Kopf vorging. Für ihr Seelenheil war er noch immer nicht ausreichend bekleidet.
Sie ließ die Tür krachend hinter sich ins Schloss fallen. Für einen so kalten Wintertag war ihr viel zu heiß. Vorsichtig versuchte sie, ihr verletztes Bein zu entlasten, und humpelte zum Bad. Der erste Blick in den Spiegel ließ sie erstarren.
Oh nein!
Sie blinzelte und sah noch einmal hin.
Oh ja!
Ihr war nicht bewusst gewesen, wie weit ihre Bluse aufgerissen war. Der Ärmel hatte sich fast völlig an der Naht gelöst, und unter dem Arm war der Stoff eingerissen. Und durch das Zusammenziehen vor der Brust war der Riss noch größer geworden. Sie hatte dem Fremden mit dem Handtuch einen erstklassigen Blick auf ihre Brüste in dem scharlachroten Spitzen-BH geboten.
Ihr scharlachroter Spitzen-BH! Sie erinnerte sich an die Hast, mit der sie am Morgen ihre Wohnung verlassen hatte, um zum Treffen mit ihrem neuen Chef pünktlich zu sein.
Gewöhnlich trug sie schwarze BHs oder hautfarbene. Nichts Extravagantes, das womöglich unter ihren schlichten Baumwollblusen auffallen würde. Aber sie hatte so viel Zeit darauf verwandt, die Seminararbeit für ihr Aufbaustudium vor dem Weihnachtsstress abzuschließen, dass sie seit Tagen ihre Wäsche vernachlässigt hatte. Nur noch diese etwas extravaganten Dessous hatte sie am Morgen in der Schublade vorgefunden. Aber es spielte keine Rolle. Niemand würde sie zu sehen bekommen … hatte sie geglaubt. Außerdem war dies ein Tag, an dem ihr der Gedanke an ein bisschen Farbe guttat.
Sie hatte das Set aus einer Laune heraus gekauft, weil ihr die Farbe so gut gefiel. Allein der Anblick gab ihr einen kleinen Schuss Selbstvertrauen, und heute hatte sie ausnahmsweise sogar ihre Zehennägel im selben Farbton lackiert. Sie waren zwar den ganzen Tag in ihren Schuhen versteckt, aber sie konnte jede Aufmunterung gebrauchen. Scharlachrote Unterwäsche und blutrote Zehennägel. Wenigstens im Verborgenen gaben sie ihr Zuversicht – ein wenig künstlich zwar, aber besser als gar nichts.
Jetzt allerdings kam ihr das Rot nicht wie die Farbe einer Siegerin vor. In ihrem Spiegelbild erschien es ihr auf einmal wie die Reizwäsche eines Straßenmädchens.
Kein Wunder, dass der Bursche am Empfang so freundlich gewesen war. Kein Wunder, dass der Fremde mit dem Handtuch sie so frech hereingebeten hatte. Sie hatte der ganzen Welt ihre rot umhüllten Aktivposten gezeigt.
Imogen sah auf die Uhr. Weniger als drei Minuten verblieben. Zum Duschen reichte die Zeit nicht mehr. Nur eine flüchtige Reinigung mit einem Waschlappen, eine noch flüchtigere Korrektur mit dem Mascara-Stift und ein rascher Zug mit der Bürste durchs Haar. Das musste genügen. Schnell mit einem Gummiband zum Pferdeschwanz gebunden, wirkte es zwar langweilig, aber für mehr Frisur hatte sie keine Zeit.
Die neue Bluse war aus waldgrüner Seide und fühlte sich herrlich kühl an auf ihrem erhitzten Körper. Sie zwang sich, ruhig durchzuatmen, während sie die Knöpfe durch die viel zu kleinen Löcher zwängte. Die neue Hose saß wie angegossen, deutlich enger an Hüften und Po, als sie es gewöhnlich trug. Sie betonte ihre langen Beine und konnte gerade noch als angemessen fürs Büro durchgehen.
Eilig stopfte Imogen die Bluse in den Hosenbund. Und nun noch ein letzter kritischer Blick in den Spiegel. So hatte sie sich in ihrer früheren Stellung gekleidet. Damals wollte sie ihre Kurven zur Geltung bringen, wollte attraktiv wirken und begehrt werden. Wie naiv und dumm sie doch gewesen war! Das hatte ihr mehr als eine schmerzhafte Lehre eingebracht. Eine davon lautete, Arbeit und amouröse Beziehung niemals
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