Julia Extra Band 372
den Schmerz über die Fälle, denen man nicht helfen kann, nicht fühlt, wird man auch die Freude über all diejenigen, denen man hilft, nicht fühlen.“
Jack schwieg. In seiner Welt hatte das nicht funktioniert.
„Die Freude trägt einen“, sagte Jill. „Sie gibt einem die Kraft, auch die anderen Dinge zu ertragen.“
„Und das reicht?“
„Nicht immer. Die schlimmen Dinge sind ätzend. So wie jetzt. In einer solchen Zeit brauche ich Menschen, die mir wichtig sind. Wie meine Familie.“ Sie entzog Jack ihre Hand, als wüsste sie, dass er keiner dieser Menschen war.
Seine Hand fühlte sich kalt an. Leer. Deshalb streckte er den Arm aus, um Bella zwischen den Ohren zu kraulen. War er deshalb gescheitert? Weil ihm der Rückhalt einer Familie fehlte? Aber er hatte doch schon lange aufgehört, sich eine Familie zu wünschen. Ungefähr in Jarreds Alter hatte er bereits gewusst, dass er sich nur auf sich selbst verlassen konnte, um zu überleben.
Einen Moment lang beobachtete Jill die Kinder in der Ferne. „Dieser Ort ist mein Fels in der Brandung“, meinte sie. „Er gibt mir Kraft. Wenn ich das Glück haben sollte, einen Lebenspartner zu finden, wäre ich vielleicht imstande, die Nabelschnur zu durchtrennen. Aber bis dahin wird mein Herz immer hier sein.“ Noch einmal schniefte sie, ehe sie den Wagen anließ. „Es tut mir leid, ich wollte nicht so schwermütig werden. Das können Sie wahrscheinlich gar nicht gebrauchen.“
Jack schüttelte den Kopf, aber da sie gerade den Rückwärtsgang einlegte, sah sie es nicht. Er hätte sie gerne etwas aufgemuntert, doch seine Stimme schien ihm nicht zu gehorchen.
Wenn er erst einmal anfing zu reden, könnte er vermutlich nicht wieder aufhören. Aber Jill alles zu erzählen, hätte bedeutet, eine Tür zu öffnen, die er seit Monaten verschlossen hielt. Plötzlich fühlte er sich verwirrt. Als wäre er irgendwo vom Weg abgekommen, ohne zu wissen, wie er zum letzten Wegweiser zurückfinden sollte.
Die Gelegenheit war schnell vorbei. Dann fuhren sie wieder auf der Straße, und Jill hatte sich tatsächlich wieder gefasst.
Sie schaute nach vorn, nicht zurück.
„Die Parade des Haustier-Tags ist um zwei. Wir sollten am besten ein bisschen früher da sein, damit Sie ein paar gute Fotos kriegen. Hoffen wir, dass keine weiteren Notrufe mehr kommen“, sagte sie. „Aber falls doch, lasse ich Sie einfach an der Schule und fahre alleine.“
Jack hoffte auch, dass sie zu keinem Notfall mehr gerufen würde. Was wäre, wenn sie danach an einem Fluss saß und ganz allein weinte?
Sie wird schon damit fertig, dachte er bei sich. Resolute Engel werden mit allem fertig. Schließlich war er ja nicht mehr lange hier. Und Jill auch nicht. Sie wollte weggehen, um Karriere als Notfallmedizinerin zu machen. Einen Lebenspartner zu finden, würde ihr sicher nicht schwerfallen.
Jack fragte sich, wie ein Mann, der das Glück gehabt hatte, Jill zu heiraten, das Ganze so vermasseln konnte. Hatte der Kerl denn nicht gemerkt, was für eine besondere Frau sie war?
7. KAPITEL
Der Schulhof der Schule von Ballochburn war ein einziges Farbenmeer.
Eine Menschenmenge drängte sich hier, die einen Großteil der hiesigen Bevölkerung umfasste. Babys in Tragetüchern oder Kinderwagen, stolze Großeltern mit ihren Kameras, und ebenso stolze, aber eher besorgte Eltern. Dazu zahllose Kinder mit ihren Tieren.
Ponys, Kälber, Lämmer, Hunde, Katzen, ja sogar Hühner und ein Alpaka wurden an der Leine geführt, herumgetragen oder in Positur gesetzt. Der allgemeine Lärm versetzte Jill sofort wieder in ihre Kindheit zurück. So wie der Geruch nach Bratwürsten und Zwiebeln, der sich mit dem etwas erdigeren Duft der Tiere vermischte.
„Seit meinem zwölften Lebensjahr war ich nicht mehr auf einem Haustier-Tag“, erzählte sie Jack.
„Sieht aus wie ein Zirkus“, gab er zurück.
„Ja“, stimmte sie fröhlich zu. „Ist das nicht toll?“ Sie band Bella mit einer Leine an die Stoßstange des Jeeps. „Hier können die Leute dich gut sehen“, sagte sie zu ihr. „Wer weiß? Vielleicht erkennt dich ja jemand wieder.“
Als sie auf den Schulhof gingen, schaute Jack über die Schulter zurück. „Ich glaube, sie hat beschlossen, dass sie zu Ihnen gehört.“
„Ich kann sie aber nicht behalten.“ Jill widerstand der Versuchung, auch zurückzuschauen. Sie wusste, dass Bella sehnsüchtig in ihre Richtung blicken würde. „Ich werde nicht allzu lange hierbleiben, und nach Melbourne kann ich sie
Weitere Kostenlose Bücher