Julia Extra Band 373
einige Tage später wieder nach Hause und wurde ambulant weiterbehandelt.“
„Und wie reagierte sie, als du wieder da warst?“
„Sie hat so getan, als wäre der Unfall nie passiert und war sehr verstört als … Thomas mir vorwarf, ich hätte Olly getötet und mein Leben zerstört.“
„Offensichtlich nicht verstört genug, um zuzugeben, dass sie selbst am Steuer gesessen hatte“, meinte Vito verächtlich.
„Nach meinem Dafürhalten stehen die Chancen sehr gut, Avas Verurteilung zumindest anzufechten“, meinte David Lloyd zuversichtlich. „Ich bin gern bereit, den Fall zu übernehmen.“
„Die Kosten übernehme selbstverständlich ich“, kündigte Vito zufrieden an und beendete die Besprechung.
Die drei Besucher verabschiedeten sich von Ava und unterhielten sich angeregt auf dem Weg zum Helikopter, der sie zurück nach London bringen sollte. Vito ging vor der völlig reglos dasitzenden Ava in die Hocke. „Leider muss ich auch wieder zurück ins Büro, bella mia . „Es ist eine Menge liegengeblieben in den vergangenen beiden Tagen, weil ich mich ganz dieser ungeheuerlichen Geschichte gewidmet habe. Ich wollte erst alle Fakten und Beweise zusammen haben.“
„Ich weiß. Du wolltest mir keine falschen Hoffnungen machen“, antwortete Ava ausdruckslos.
„Natürlich muss dich das alles sehr aufwühlen. Wenn du willst, bleibe ich bei dir, falls du dich dann besser fühlst.“
„Wieso sollte ich mich dadurch besser fühlen?“, fragte Ava leise. „Du hast bereits mehr als genug für mich getan, Vito. Ich komme schon klar.“
Er fluchte unterdrückt, als ihm einfiel, wie ihr bei Harrods die Tränen über die Wangen geflossen waren. Diese wunderschöne Amazone machte alles mit sich selbst aus und brauchte niemanden. Ihn schon gar nicht. Ernüchtert machte er sich auf den Weg, wandte sich ihr dann jedoch noch einmal zu. „Wenn du etwas brauchst oder Fragen hast, rufst du mich an, ja?“ Ihm war schmerzlich bewusst, dass er lange darauf warten konnte.
„Klar.“ Ava sah ihn an, als wollte sie sich sein Gesicht genau einprägen. Tatsächlich stand sie unter Schock und konnte nur durch allergrößte Selbstdisziplin die Fassung bewahren.
Sobald sie den Helikopter abfliegen hörte, zog sie sich einen Mantel an, rief Harvey und ging hinaus. Der Schnee war über Nacht gefroren und knirschte unter ihren Stiefeln.
Für Ava fühlte es sich an, als hätte Vito sie in einen weiteren Albtraum katapultiert. Erst hatte sie den Mann verloren, den sie ihr ganzes bisheriges Leben lang für ihren Vater gehalten hatte, und nun bröckelte auch noch die Zuneigung zu ihrer Mutter, die möglicherweise ihre jüngste Tochter geopfert hatte, um die eigene Haut zu retten. War es tatsächlich so gewesen? Wäre Gemma Fitzgerald zu einer solchen Tat wirklich fähig gewesen? Hatte sie das in dem kryptischen Brief andeuten wollen? Waren Gemmas Schuldgefühle so überwältigend gewesen, dass sie es nicht hätte ertragen können, Ava je wieder in die Augen zu sehen?
Das Gefühlschaos, das in Ava tobte, bereitete ihr Kopfschmerzen. Wie würde es sich anfühlen, von der Schuld befreit zu werden, Olly auf dem Gewissen zu haben? Sie konnte es sich kaum vorstellen, denn der Schmerz, ihrem besten Freund das Leben genommen zu haben, hatte sie seit dem tragischen Unfall begleitet. Doch der Schmerz darüber, dass ihre eigene Mutter tatenlos zugesehen hatte, wie ihre Tochter verunglimpft, vor Gericht gestellt und zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt wurde für eine Tat, die Gemma selbst begangen hatte, war ungleich größer und kaum zu ertragen.
Gregory James hatte die Szene auf dem Vorplatz des Schlosses ja plastisch genug geschildert und war sich ganz sicher, dass Gemma am Steuer gesessen hatte. Aus bitterer Erfahrung wusste Ava, wie energisch ihre Mutter sein konnte, besonders wenn sie Alkohol getrunken hatte. Dann kam niemand gegen sie an. Es war also durchaus vorstellbar, dass sie Ollys Wagen tatsächlich gefahren hatte. Olly hätte keine Chance gegen sie gehabt. Und er wollte wahrscheinlich keine Szene machen, die Ava unendlich peinlich gewesen wäre. Also hatte er nachgegeben, war aber so besorgt um Avas Wohl gewesen, dass er schnell selbst auf den Rücksitz gesprungen war. Seine Sorge um Ava hatte ihn das Leben gekostet!
Die Tränen strömten Ava nur so übers Gesicht. Mit Atemübungen versuchte sie, sich wieder zu beruhigen. Harvey leckte ihr tröstend die Hand und sah mit seinen treuen braunen Hundeaugen zu Ava auf.
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