Julia Extra Band 373
verloren hatte, ob er ihre Affäre auch nach der Weihnachtsparty fortsetzen wollte. Ich werde ihn verlassen, dachte Ava traurig. Auch wenn es ihr das Herz brach.
Zur Abendbrotzeit meldete Vito sich telefonisch und erkundigte sich besorgt nach ihrem Befinden. Natürlich biss Ava die Zähne zusammen und versicherte ihm, alles sei in Ordnung. Er sagte, er würde wahrscheinlich im Apartment übernachten, und wünschte ihr eine gute Nacht.
Ava ging früh ins Bett und hoffte, endlich mal wieder eine Nacht schlafen zu können. Allerdings hielt sie das für eher unwahrscheinlich nach den aufwühlenden Informationen, die sie am Morgen erhalten hatte.
Irgendwann musste sie doch eingeschlafen sein, denn sie träumte. Im Traum lief sie in der Nacht des Unfalls die Schlosstreppe hinunter – immer und immer wieder. Olly folgte ihr und rief, er würde sie heimfahren. Und dann tauchte plötzlich ihre Mutter auf, als Olly Ava gerade ausschimpfte, weil sie Vito provoziert hatte.
„Ich fahre“, verkündete Gemma, ohne Ollys Einwände zu beachten. Sie versicherte ihm, stocknüchtern zu sein und sagte, sie wolle sich doch nicht von einem Teenager kutschieren lassen. Die Auseinandersetzung wurde immer lauter und hitziger. Ava warnte ihre Mutter, sie hätte gar keinen Führerschein mehr, außerdem wirke sie, als hätte sie getrunken. Das stachelte Gemma erst recht auf. Wütend stieß sie Olly aus dem Weg, setzte sich ans Steuer und ließ den Motor aufheulen. Als sie einige Meter gefahren war, beugte sich Ava vom Beifahrersitz aus hinüber, um den Zündschlüssel abzuziehen, aber es gelang ihr nicht und der Wagen schleuderte die Auffahrt entlang. Olly redete weiterhin auf Gemma ein, sie solle vernünftig sein und anhalten. Unbeirrt raste Gemma weiter, durch die Toreinfahrt hindurch auf die Straße. Ava schrie ihre Mutter an. „Halt endlich an!“ Olly mahnte zur Ruhe. Einen Sekundenbruchteil später sah Ava den Baum auf sich zukommen, hörte, wie Olly ihren Namen rief, und dann wurde alles um sie herum schwarz.
Schweißgebadet schreckte Ava aus dem Traum auf und wusste im ersten Moment nicht, wo sie war. Dann wurde ihr bewusst, dass sie von dem Unfall geträumt hatte. Im Zimmer brannte Licht, und Vito kniete neben ihr auf dem Bett, nur mit einer Jeans bekleidet.
„Du hast geträumt und einen Schrei ausgestoßen, der Tote geweckt hätte“, erzählte er beunruhigt.
Aber Olly wacht nie wieder auf, dachte Ava benommen und schluchzte. Sie setzte sich auf, umfasste ihre Knie und schaukelte vor und zurück. „Ich habe von dem Unfall geträumt, Vito. Wieso jetzt? Wieso erinnere ich mich plötzlich wieder?“
„Warum hättest du dich erinnern sollen, solange du dachtest, du wärst schuld an Ollys Tod? Saß deine Mutter am Steuer?“
Ava nickte und berichtete mit bebender Stimme, was im Traum passiert war. Tröstend hielt Vito sie in den Armen.
„Ich wollte nicht, dass alles wieder hochkommt, bella mia . Aber als Greg James mir erzählte, was er damals beobachtet hatte, musste ich doch handeln. Die Chance, dich von aller Schuld freisprechen zu lassen, durfte ich mir nicht entgehen lassen. Deshalb habe ich mich an David Lloyd, deinen Vater und deinen damaligen Verteidiger gewandt. Ich dachte, ich täte das Richtige. Darüber, wie sehr dich das alles seelisch belasten muss, habe ich mir keine Gedanken gemacht“, gestand er zerknirscht.
Ava schmiegte sich an ihn. Er hatte es nur gut gemeint. „Weißt du, ich komme einfach nicht darüber hinweg, dass meine eigene Mutter mir so etwas antun konnte.“
„Denk nicht mehr daran“, riet Vito leise. „Der Unfall hat dein Leben schon viel zu lange belastet.“ Er ließ sie los und stand auf.
„Wo kommst du eigentlich plötzlich her?“, fragte Ava, als hätte sie seine Anwesenheit erst jetzt bemerkt.
„Aus meinem Zimmer. Du hast schon geschlafen, als ich nach Hause gekommen bin, und ich wollte dich nicht stören.“
„Und wo willst du jetzt hin?“
„Ich will was aus meinem Zimmer holen. Bin gleich wieder da.“
„Okay.“ Ava verdrängte den schrecklichen Traum, so gut es ging. Eigentlich hätte sie erleichtert sein müssen, weil sie den Unfall und Ollys Tod nicht verschuldet hatte. Doch sie musste sich wohl erst mal an den Gedanken gewöhnen.
Vito kehrte mit einem Arm voller Sachen zurück, die er vor ihr auf der Bettdecke ablud.
„Bist du wieder einkaufen gewesen?“, fragte Ava erstaunt und schnupperte an den welkenden roten Rosen. „Die musst du ins Wasser stellen,
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