Julia Extra Band 374
„Sie sagten, Sie wären müde. In dem Fall finde ich es immer ratsam, allein ins Bett zu gehen.“ Ohne eine Erwiderung abzuwarten, machte er auf dem Absatz kehrt und ließ Emma stehen.
6. KAPITEL
Am nächsten Morgen fand Emma einen Umschlag, der unter ihrer Tür hindurchgeschoben worden war. Noch bevor sie ihn geöffnet hatte, wusste sie, von wem er stammte. Es war eine kurze Notiz in schwarzer Tinte mit schwungvoller Handschrift auf teures, cremefarbenes Papier geschrieben.
Wir haben es gestern Abend versäumt, über Ihre Arbeit zu sprechen. Seien Sie um zehn Uhr in der Lobby. Zak.
Das war alles. Keine Anrede, keine freundlichen Grüße. Geschweige denn, dass er sich erkundigte, ob sie eine erholsame Nacht verbracht hätte. Was natürlich nicht der Fall war. Bedingt durch den Jetlag war sie mitten in der Nacht aufgewacht und hatte nicht wieder einschlafen können. Das wiederum hatte ihr mehr als genug Zeit gegeben, über die eigentümliche Episode zwischen Zak und ihr auf dem Flur vor ihrer Suite nachzudenken. Sie hätte schwören können, dass Zak sie fast geküsst hätte. Sie hatte sich gewünscht, dass er sie küsste … und mehr. Viel mehr. Ausgerechnet sie, die allen Männern und den damit zusammenhängenden, bittersüßen Liebesverwicklungen abgeschworen hatte!
War sie gestern Abend völlig verrückt geworden, oder war es nur eine fatale Mischung aus den Folgen des Jetlags und der Wirkung des schweren Weines gewesen? Emma öffnete die Rollos und blickte nachdenklich hinunter auf die grüne Oase des Central Parks. Wie auch immer, sie würde sich nicht dadurch lächerlich machen, indem sie sich noch einmal so benahm.
Entschlossen duschte sie und zog sich an, bevor sie sich vom Zimmerservice ein Frühstück bringen ließ. Obwohl sie eigentlich keinen Appetit verspürte, zwang sie sich, etwas Toast mit Marmelade zu essen und eine Tasse von dem ausgezeichneten Kaffee zu trinken. Danach fühlte sie sich schon deutlich besser.
Dennoch war sie nervös, als sie in der Lobby ankam, was nicht besser wurde, als sie Zak entdeckte. Er kehrte ihr den Rücken zu und telefonierte. Emma hasste es, dass schon sein bloßer Anblick genügte, um sie völlig aus der Fassung zu bringen, wo es doch so wichtig war, ihm gelassen und gleichmütig zu begegnen. In Anbetracht seines grauen Anzugs war sie wenigstens froh, sich heute etwas geschäftsmäßiger angezogen zu haben.
Zak hatte sein Telefonat beendet und drehte sich zu ihr um. Unwillkürlich fragte sie sich, ob sie diesmal vor seinem kritischen Blick bestehen würde. Waren ein feiner neuer Pullover und hellblaue Stretchjeans immer noch zu zwanglos für den Geschmack des reichen Hoteliers? Seine unergründliche Miene verriet jedenfalls nicht, was er dachte, als er auf sie zukam.
Resigniert gestand sie sich, dass sie ihn auch bei hellem Tageslicht noch genauso attraktiv fand wie am gestrigen Abend. Es war keine einmalige, erotische Verirrung gewesen. Umso wichtiger war es, dass sie sich völlig normal verhielt. Als hätte sie ihm während des Abendessens nicht die ganze Geschichte ihrer dunklen Vergangenheit enthüllt. Sie rang sich ihr strahlendstes Lächeln ab. „Guten Morgen.“
Zak entging nicht, dass die Schatten unter ihren Augen ihre betont heitere Begrüßung Lügen straften. „Sie sehen müde aus.“
„Weil ich müde bin.“
„Wahrscheinlich haben Sie die ganze Nacht mit meinem Bruder E-Mails ausgetauscht?“, riet er spöttisch.
Er ahnte ja nicht, wie sehr er sich irrte. Tatsächlich hatte sie seit ihrer Ankunft kaum an Nat gedacht. „Ehrlich gesagt, nein.“
Was hätte sie ihm auch schreiben sollen? Sorry, Nat, ich weiß ja, dass ich gesagt habe, dein Bruder ist ein Kontrollfreak und ein Tyrann, aber gestern Nacht habe ich mich furchtbar danach gesehnt, mit ihm zu schlafen. Die halbe Nacht habe ich wachgelegen und mir ausgemalt, wie es wäre, wenn er zu mir käme …
„Ich war zu sehr damit beschäftigt, Schäfchen zu zählen“, schwindelte sie. „Leider hat es nicht viel genützt. Sollte ich also nicht ganz bei der Sache sein, schieben Sie es auf den Jetlag.“
Ihre Worte beruhigten Zak mehr, als ihm lieb waren. Habe ich etwa befürchtet, dass sie Nat schreibt, dass ich mich an sie herangemacht habe? Was ja sogar der Wahrheit entsprach.
„Haben Sie schon gefrühstückt?“, erkundigte er sich höflich.
„Ja, danke, auf meinem Zimmer.“ Sie lächelte erneut, entschlossen, die gespannte Atmosphäre zwischen ihnen durch Professionalität zu
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