Julia Extra Band 374
darauf, dass er mehr erzählte, doch offenbar fand er seine Welt bei weitem nicht so interessant wie sie.
„Und, wie ist es in Littleford?“, erkundigte er sich schließlich.
„Ruhig. Es gibt einen Pub, ein paar Geschäfte, eine Kirche und einen Dorfteich“, erwiderte sie kurz angebunden, um das Thema wieder auf ihn zu bringen. „Wie haben Sie denn angefangen?“
Vorerst vergaß sie ihr Vorhaben, ihn darüber auszufragen, welche Anzüge er trug, weil sie sich brennend für seine Kindheit interessierte. Sie hatte geglaubt, er hätte reiche Eltern und ein Kindermädchen gehabt, Internate besucht und es später mithilfe von Beziehungen bis an die Spitze geschafft. Wie hatte sie sich nur so in ihm täuschen können?
Alex blickte in seine Tasse. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich schätze, ich hatte schon immer hochtrabende Ideen.“
Als Jen ebenfalls lächelte, schüttelte er den Kopf.
„Wo ich aufgewachsen bin, musste man die Schule beenden und dann gleich anfangen, Geld zu verdienen. Hochtrabende Ideen galten als Zeitverschwendung. Ich habe endlose Diskussionen mit meinen Eltern geführt, damit ich studieren konnte. Ich habe viel gejobbt, um die Gebühren zahlen zu können, und hatte immer das Gefühl, dass es Geldverschwendung wäre. Aber ich hatte Glück. Ich hatte einen sehr engagierten Dozenten und wollte unbedingt Erfolg haben. Ich habe einen Kurzfilm gedreht, mit einem geradezu lächerlich niedrigen Budget. Ich wusste, dass er gut war.“ Er lachte leise. „Mit Spielfilmen habe ich erst viel später angefangen. Meinen Größenwahn konnte ich nie ganz ablegen.“
„Das macht doch nichts“, erwiderte Jen. „Wenn man nur herumsitzt, erreicht man auch nichts.“
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass er sie wahnsinnig beeindruckte. Schnell rief sie sich ins Gedächtnis, dass er es zwar aus eigener Kraft geschafft hatte, aber seine Herkunft inzwischen vergessen zu haben schienen. Offenbar fand er es nicht unter seiner Würde, sein Geld dafür zu benutzen, sich rücksichtslos über andere hinwegzusetzen.
„Sie leben also allein?“
Sein Tonfall war beiläufig, und Alex blickte ihr nicht in die Augen. Ein Schauer rieselte ihr über den Rücken, und Jen kam sich etwas lächerlich vor. Die Vorstellung, dass Alex Hammond sich für sie interessieren könnte, war wirklich lächerlich.
„Ich wohne mit meiner Mutter zusammen“, erwiderte sie.
Ein plötzlicher Anflug von Heimweh überkam sie. Sosehr sie sich auch bemühte, sie fühlte sich in diesem Apartment einfach nicht zu Hause. Sie freute sich darauf, Weihnachten nach Littleford zu fahren, aber momentan konnte sie nur an ihren Artikel denken.
„Sie hat vor kurzem ihren Job verloren, und da ich das Praktikum gemacht habe, war es finanziell etwas eng. Ich hoffe, mein Artikel wird veröffentlicht, denn er wäre der Einstieg zu einem tollen Job. Wenn ich mehr verdiene, kann sie etwas kürzertreten.“
Elsie hatte ihr schon oft vorgeschlagen, sich mit ihrem Vater in Verbindung zu setzen und ihn um ein Almosen zu bitten. Das kam für sie allerdings nicht infrage, weil sie zu stolz war.
„Dann sind Sie also auf der Suche nach lukrativen Storys?“, hakte Alex nach.
Sein argwöhnischer Gesichtsausdruck entging ihr nicht.
„Sie wollen wissen, ob ich eine Enthüllungsstory über Sie plane, stimmt’s? Sind Sie deshalb so nett zu mir?“
„Ich treibe nur Konversation“, erwiderte er ruhig.
Jen stellte ihre Tasse auf den Tisch und stand auf. Wie hatte sie nur so naiv sein können zu glauben, Alex würde sich tatsächlich für sie interessieren? Er musste sich maßlos darüber ärgern, dass sie hier bei ihm wohnte, wenn er sich die Mühe machte, ihr zu schmeicheln. Aber das konnte ihr nur recht sein. Solange sie nicht auszuziehen brauchte, sollte er sich ruhig ärgern.
„Ich sagte Ihnen doch bereits, dass ich kein Interesse an Ihnen habe, solange ich an diesem Projekt arbeite. Solange Sie mich nicht rauswerfen, brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ihre Geheimnisse sind bei mir sicher.“
„Sie kennen keins meiner Geheimnisse.“
Sie ging um seinen Sessel herum, legte ihm die Hand auf die Schulter und beugte sich zu ihm hinunter. Leider war sie nicht darauf gefasst gewesen, dass der Duft seiner warmen Haut und seines teuren Aftershaves ihr sofort zu Kopf stieg. Deshalb bemühte sie sich um einen energischen Tonfall.
„Was ich nicht weiß, kann ich jederzeit erfinden“, belehrte sie ihn, bevor sie ihm die Fernbedienung in den Schoß
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