Julia Extra Band 374
heraus, dass diese Frauen es offenbar als eine Art Sport betrachteten, Freundinnen reicher Junggesellen herabzuwürdigen.
„Das Kleid hatte ich auch mal – was für ein Zufall!“
Jen blickte die dürre Blondine an, die Annabel ihr als Sukie vorgestellt hatte, und versuchte krampfhaft, lässig zu wirken, als die anderen drei Frauen daraufhin interessiert ihr Kleid betrachteten.
„Es ist aus der letzten Saison“, fügte Sukie hinzu. „Leider ist mit dem Kleid ein kleines Malheur passiert. Auf einer Hochzeit im Januar hat mir jemand Rotwein darauf geschüttet. Ich weiß noch, dass es unten am Saum ganz nass war. Leider habe ich den Fleck nicht richtig herausbekommen.“
Jen versuchte verzweifelt, nicht die Fassung zu verlieren. Alle vier Frauen ließen den Blick zum Saum ihres Kleids schweifen. Sie brauchte gar nicht hinzusehen, weil sie wusste, was diese entdeckten. Wegen des Blumendrucks fiel der Fleck offenbar nicht auf, denn sie hatte ihn nicht bemerkt.
„Ich habe es in diesen exklusiven Secondhandladen in Knightsbridge gegeben“, fügte Sukie hinzu.
Anscheinend hatte sie also keine Skrupel gehabt, ein Teil mit einem Mangel zu verkaufen. Was eine Frau wie sie über sie dachte, scherte Jen nicht. Sie wurde wütend.
„Ich bin ein Fan von Secondhandkleidung“, verkündete sie. „Meiner Meinung nach messen Frauen dem Preis zu viel Bedeutung bei. Es interessiert sie nicht, wenn es mehr als ein Auto kostet, solange es von einem angesagten Designer ist. Wie oberflächlich! Und übrigens …“ Stirnrunzelnd sah sie Sukie an, die einen Schritt zurückwich. „Sie hätten der Verkäuferin sagen müssen, dass das Kleid einen Fleck hat.“
Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie immer lauter geworden war und die Leute sich bereits zu ihr umdrehten.
Ein Whiskyglas in der Hand, kehrte Richard zu ihnen zurück. „Was ist hier los?“
„Anscheinend trägt Genevieve eins von Sukies abgelegten Kleidern“, erwiderte Annabel und lachte wieder glockenhell. „Ich glaube, dass Ganze ist ihr ein wenig peinlich, Richard.“
Das Herz schlug Jen plötzlich bis zum Hals, denn alle betrachteten sie feindselig. Richard umfasste ihren Ellbogen und zog sie beiseite.
„Würden Sie mir verraten, was hier vorgeht?“, fuhr er sie leise an. „Ihre Geschichte mit der eigenen Schmuckfirma hinkt, Sie sind Annabel ausgewichen, als sie von ihrer Schule gesprochen hat, und Ihr Kleid kommt aus einem Secondhandladen. Wer sind Sie wirklich? Eine Art Stalkerin?“
Verachtung stieg in ihr auf, weil er sie so behandelte. Und glaubte er wirklich, sie wäre hinter ihm her, weil sie in ihn verliebt war?
„Machen Sie sich nicht lächerlich.“ Aufgebracht entzog Jen ihm ihren Arm. „Ich bin keine Stalkerin. Ich bin Journalistin!“
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, packte er sie wieder und legte ihr den anderen Arm um die Taille. Ein drohender Ausdruck trat in seine Augen, bevor Richard sie zum Ausgang zerrte.
„Was soll das?“, rief Jen und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. „Lassen Sie mich gefälligst los!“
Das tat er natürlich nicht. Während er den anderen Gästen lächelnd zunickte, sagte er zu ihr: „Sie verlassen jetzt die Veranstaltung mit mir, ohne Aufhebens zu machen. Wir fahren irgendwohin, wo wir ungestört sind, und dann erzählen Sie mir, was Sie im Schilde führen und für wen Sie arbeiten.“
Schmerzhaft bohrten seine Finger sich in ihren Arm, und zum ersten Mal bekam sie richtig Angst. Ihr Instinkt sagte ihr, dass Alex recht gehabt hatte. Mit Richard war nicht zu spaßen. Fieberhaft dachte sie nach. Sie musste die Flucht ergreifen, bevor er noch mehr über sie herausfand.
So heftig sie konnte, trat sie ihm gegen das Schienbein. Er ließ zwar sofort ihren Arm los, packte sie allerdings bei den Haaren. Verzweifelt wehrte sie sich und atmete tief ein, um zu schreien.
Dazu kam sie jedoch nicht, weil Richard plötzlich zur Seite flog und in einem festlich geschmückten Tannenbaum landete. Als er sich wieder aufrichtete, zog jemand sie fort.
Es war Alex.
Zuerst schwiegen sie, während Alex in hohem Tempo nach London zurückkehrte. Jen war völlig durcheinander. Sie war wahnsinnig enttäuscht, weil ihre Mission gescheitert war, und fühlte sich gleichzeitig gedemütigt, weil viele Prominente ihren peinlichen Abgang beobachtet hatten. Dennoch verspürte sie in ihrem tiefsten Inneren ein Glücksgefühl bei der Vorstellung, was Alex’ dramatisches Auftreten bedeuten könnte.
Er hatte sie
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