Julia Extra Band 374
wird, und wir fliegen dich ins Krankenhaus.“ Niklas sprach sehr ruhig und sachlich, als er Meg auf dem Rasen kniend vorfand. „Ich trage dich ins Haus …“
„Nein, es kommt!“ Sie war sich vage bewusst, dass Niklas jemanden anrief.
„Carla?“
Der Schmerz war viel zu stark, sie konnte nicht mehr klar denken, aber warum rief er Carla an?
„Erledigt“, sagte er.
„Erledigt?“
„Hilfe ist unterwegs.“
Meg sah, dass er schwitzte, und er schwitzte niemals, doch seine Stimme klang noch immer ruhig.
„Carla wird den Piloten zurückbeordern und einen Krankenwagen rufen.“
Meg fing an zu weinen, weil sie wusste, dass es zu spät war, dass das Baby fast da war.
„Alles wird gut.“ Niklas zog sein Jackett aus, nahm seine Manschettenknöpfe heraus und rollte die Ärmel auf.
„Du hast doch noch nie im Leben ein Baby auf die Welt geholt!“, schrie sie ihn an, ohne es zu wollen.
„Nein. Aber ich habe im Gefängnis bei einem Kurs zur Verbesserung der Alltagskompetenzen mitgemacht.“
Und das brachte sie zum Lächeln, selbst wenn sie vor Angst wie gelähmt war. Dann schrie sie wieder los, weil Niklas die Frechheit besaß, einen Anruf entgegenzunehmen.
„Es ist dein Gynäkologe.“
Ich darf nicht vergessen, Carla für den Sprachunterricht zu danken, dachte Meg, während Niklas ihr die Bikinihose auszog. Nach dem, was sie mit ihren begrenzten Portugiesischkenntnissen verstehen konnte, erzählte er dem Arzt über die Freisprechfunktion, dass er den Kopf sehe.
Das hätte sie dem Arzt auch sagen können.
Aber sie war ganz froh, dass sie nicht genau wusste, was geredet wurde. Froh, nur zu pressen, angewiesen zu werden, aufzuhören, und dann wieder zu pressen. Sie war sehr verärgert, als Niklas etwas sagte, was den Gynäkologen lachen ließ. Gerade wollte sie sich bei Niklas beschweren, als das Baby plötzlich da war.
„Sim. Ela é rosa e respira“ , berichtete er dem Arzt.
Ja, ihr Baby war rosa und atmete. Es waren die schönsten Worte der Welt. Und weil Niklas von ela sprach, hatten sie offenbar eine Tochter bekommen.
Der Arzt brauchte nicht zu fragen, ob das Baby schrie, weil seine Stimme bereits über die Berge schallte.
Meg weinte.
Niklas nicht. Er weinte nie. Nur an dem Tag, als er erfahren hatte, dass ihr nichts passiert war. Und vielleicht am folgenden Tag.
Er befolgte die Anweisung des Arztes und hielt sie beide warm. Zuerst zog er sein Hemd aus und wickelte seine Tochter darin ein, dann hüllte er Meg in sein Jackett, holte eine Wolldecke vom Pool und deckte sie beide damit zu. Er dankte dem Gynäkologen, sagte, er höre den Hubschrauber, und schaltete sein Telefon aus.
„Gut gemacht!“
„Du auch.“ Meg lächelte ihren großartigen Geburtshelfer an. „Hattest du Angst?“
„Aber nein. Es ist ein natürlicher Vorgang. Normalerweise sind schnelle Geburten unkompliziert …“
Niklas äußerte noch ein paar Dinge, die Meg vermuten ließen, dass er ihr Buch gelesen hatte.
„Sie ist früh dran.“ Meg seufzte. Sie hatte wirklich gehofft, dass ihr Kind sehr spät kommen und nie erfahren würde, dass es im Gefängnis gezeugt wurde.
„Das macht nichts. Sie wurde mit Liebe gezeugt. Mehr muss sie nicht wissen.“
Sie hatten einen Namen für einen Jungen und einen für ein Mädchen. Niklas nickte, als Meg ihn fragte, ob er ihn noch immer wollte. Er küsste sie, und dann blickte er seine Tochter an, und Meg glaubte, Tränen in seinen Augen schimmern zu sehen. In wenigen Minuten würde der Hubschrauber eintreffen und sie hielt diesen Moment fest, den sie für sich hatten.
Niklas und sie allein auf ihrem Berg mit ihrem Baby Emilia Dos Santos.
„Dos Santos“ nun aber wieder in der portugiesischen Bedeutung.
Von den Heiligen.
– ENDE –
Schicksalhafte Tage in Rom
1. KAPITEL
Isabella Williams zuckte zusammen, als sie das Motorgeräusch eines schweren Sportwagens vernahm. Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück und fasste das Tablett fester, als könnte es ihr Halt geben.
Erst als das tiefe Brummen nicht mehr zu hören war, beruhigte sie sich wieder. Sie atmete tief durch, setzte ihre schwere Last auf den nächsten Tisch und wischte sich über die feuchte Stirn. Sie musste dringend ihre Fantasie zügeln: Ein Sportwagen fuhr vorbei, und schon bildete sie sich ein, Antonio Rossi sei ihr auf der Spur.
Allein die Vorstellung war abwegig. Ein Mann wie Antonio Rossi passte nicht in diesen schäbigen Stadtteil, und die Idee, er würde hier in Rom nach ihr suchen, war reines
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