Julia Extra Band 374
Essen. Außer dem Bett gab es buchstäblich nichts, weder Tisch noch Stuhl noch Kühlschrank, keine Spüle, geschweige denn Geschirr. Er konnte ihr noch nicht einmal etwas zu trinken bringen!
Wie konnte sie in diesem Loch leben? Warum blieb sie hier, wenn ihre Heimat eigentlich Kalifornien war?
„Bella?“, wiederholte er und streichelte ihre Wange. Die Haut fühlte sich weich und viel zu kühl an.
Isabella reagierte auf die Berührung, sie öffnete zwar nicht die Augen, murmelte jedoch einige unverständliche Worte.
Antonio betrachtete sie misstrauisch. Machte sie ihm etwas vor? Wollte sie ihn durch eine List zum Rückzug bewegen? Dann hatte sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
„Isabella!“, rief er mit scharfer Stimme.
„Lass mich zufrieden!“, erwiderte sie benommen, drehte sich zur Seite und zog die Knie an die Brust.
Wären die Verhältnisse anders, er hätte nichts lieber als das getan.
Er hätte sich umdrehen und gehen sollen, als er sie das erste Mal erblickt hatte …
Es war Anfang März gewesen, und er war in Begleitung seines Sekretärs aus dem Büro gekommen. Die Sonne schien, aber es war empfindlich kalt.
Als er in dem hellen Licht blinzeln musste, hatte er eine Vision, die ihm den Atem verschlug. Abrupt blieb er stehen.
Am Rande des Gehwegs stand eine junge Frau in Röhrenjeans, blond, in kniehohen Stiefeln und Lederjacke.
Er kannte etliche schöne Frauen, doch die Unbekannte fiel aus dem Rahmen. Sie wirkte unnahbar, gleichzeitig jedoch provozierend. Lag das an ihrem energischen Kinn, der schräg in die Stirn gezogenen schwarzen Baskenmütze oder dem flammend roten Schal? Antonio wusste es nicht, doch er war verzaubert.
„Sir?“, fragte sein Sekretär verunsichert.
Antonio nahm ihn kaum wahr. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der blonden Schönheit, die einen Stadtplan vor sich hielt und von einer Seite auf die andere drehte. Offensichtlich hatte sie Orientierungsschwierigkeiten.
Schließlich zuckte sie die Schultern, faltete den Plan zusammen, verstaute ihn in ihrem Rucksack und setzte ihren Weg fort.
Was Antonio faszinierte, war nicht nur ihr Aussehen, sondern vor allem ihre Ausstrahlung. Die Fremde wirkte, als sei sie zu jedem Abenteuer bereit, und sie einfach ziehen zu lassen, kam ihm plötzlich vor wie eine Riesendummheit. Er würde es sein Leben lang bereuen.
„Sagen Sie die Besprechung ab!“, befahl er schroff.
„Wie bitte?“ Für seinen Sekretär schien eine Welt zusammenzubrechen.
Doch Antonio kümmerte sich nicht um ihn, ebenso wenig wie er seinen Chauffeur beachtete, der schon an der schwarzen Limousine stand und ihm die Tür aufhielt. Zielstrebig folgte Antonio der Unbekannten.
Wie sie ihr Haar schüttelte und sich in den Hüften wiegte! Sein Puls beschleunigte sich. Jetzt wandte sie den Kopf und sah ihn über die Schulter an. Ihre Blicke trafen sich, und Antonio bemerkte das überraschte Aufblitzen in ihren herrlich blauen Augen. Anstatt zur Seite zu schauen und weiterzugehen, drehte sie sich um und kam auf ihn zu.
„Mi scusi“ , sprach sie ihn ohne jede Scheu und mit fester, klarer Stimme an. „Sprechen Sie Englisch?“
Sie musste Amerikanerin sein, das verriet ihr Akzent. Das erklärte auch, weshalb sie ihn nicht sofort als einen Spross der Rossi-Dynastie erkannt hatte. Als Mann jedoch fand sie ihn attraktiv, das zeigten ihr einladendes Lächeln und ihr leichtherziges Verhalten.
„Selbstverständlich.“ Er nickte.
„Super. Ich suche die Piazza del Popolo“, meinte sie. Unbewusst leckte sie sich die Unterlippe, während sie wie gebannt seinen Mund betrachtete.
Antonio musste an sich halten. Am liebsten hätte er die Fremde auf der Stelle in die Arme gerissen und geküsst, doch um nichts in der Welt wollte er diese Traumfrau verschrecken.
„Wir befinden uns ganz in der Nähe.“ Er spürte, wie es zwischen ihnen vor Erotik knisterte. „Ich begleite Sie gern das letzte Stück.“
Ihr Erröten verzauberte ihn noch mehr. Es entging Antonio nicht, wie sie mit sich kämpfte, ob sie seinen Vorschlag annehmen sollte. Doch ihre Abenteuerlust siegte. „Wenn es keinen Umweg für Sie bedeutet.“
„Nein.“ Antonios Herz klopfte immer schneller. „Zufällig muss ich in die gleiche Richtung.“ Wenn sie nach Venedig gewollt hätte, hätte er auch dorthin gemusst.
„Das ist ja wirklich ein Zufall!“ Ihr ironischer Tonfall stand in bezauberndem Gegensatz zu ihrem charmanten Lächeln. „Ich heiße übrigens Isabella.“
Am selben Abend noch waren
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