Julia Extra Band 375
Zögern für den Nachmittag frei. Er zog sie sogar liebevoll in seine Arme, als sie ihm mitteilte, dass sie nach London fahren würde, um Drake zu besuchen.
„Ich mag ihn auch“, sagte er. „Außerdem halte ich ihn für einen gewieften Geschäftsmann mit viel Weitblick. Er hat lange mit mir über die geplanten Erneuerungsmaßnahmen gesprochen und mir geraten, wenigstens noch zwei, drei Jahre durchzuhalten, um zu sehen, wie sich die Konjunktur entwickelt. Und genau das werde ich auch tun. Ich kann dir gar nicht sagen, wie erleichtert ich bin, seit ich endlich eine klare Richtung habe, die ich verfolgen kann. Danke ihm noch einmal von mir, wenn du ihn siehst, ja?“
Die Tatsache, dass Drake ihrem Bruder so geholfen hatte, verstärkte Laylas Vorfreude auf ihn noch. Nach ihrem heißen Kuss auf der Baustelle wäre es lächerlich zu leugnen, dass sie ihn begehrte. Und sie würde liebend gern noch mehr über ihn und seine Geschichte herausfinden. Manchmal hatte er einen beinah gejagten Ausdruck in den Augen. Oder er starrte einfach nur vor sich hin, als würde ihn ein unausgesprochener Kummer quälen. In diesen Momenten fragte Layla sich unwillkürlich, ob ihn gerade Erinnerungen an eine traumatische Kindheit einholten.
Als das Taxi vor dem beeindruckenden sechseckigen Gebäude hielt, das Drake entworfen hatte, wünschte sie, sie hätte einen starken Drink zur Hand, der ihr etwas Mut verlieh. Was, wenn er keineswegs erfreut, sondern nur irritiert oder gar verärgert war, weil sie ohne Vorankündigung bei ihm auftauchte? Vielleicht hätte sie ihn ja doch anrufen und ihm mitteilen sollen, dass sie unterwegs war.
Aber dann wäre es keine Überraschung mehr gewesen.
Wenige Minuten später fuhr sie in dem hypermodernen Lift zu Drakes Büroräumen hinauf, wobei die verspiegelten Innenwände ihr reichlich Gelegenheit gaben, ihr Erscheinungsbild zu überprüfen.
Das schulterlange Haar hatte sie offen gelassen, um den verräterischen Knutschfleck zu kaschieren, den Drake an ihrem Hals hinterlassen hatte. Sie berührte die Stelle mit den Fingerspitzen, ließ sie aber sofort wieder los, weil sie sich plötzlich eigenartig schuldbewusst fühlte.
In dem Bestreben, etwas lässiger als bei ihrem letzten Besuch zu wirken, trug Layla dieses Mal hellblaue Jeans, eine einfache weiße Bluse und darüber einen rehbraunen Trenchcoat. Mit dem Outfit an sich war sie ganz zufrieden, doch als sie ihre geröteten Wangen und die fast fiebrig glänzenden Augen sah, wandte sie sich frustriert von ihrem Anblick ab.
Warum gelang es ihr nie zu verhindern, dass man ihr ihre Gefühle vom Gesicht ablesen konnte? Andere Leute schafften das doch auch. Sie hatte gehofft, ein Bild cooler Selbstsicherheit abzugeben, wenn sie ihm begegnete. Aber keine Chance. Sie sah eher aus wie ein verschrecktes Reh auf der Flucht nach vorn.
„Haben Sie einen Termin bei Mr Ashton?“
Drakes einschüchternd selbstbewusste Sekretärin stand vor ihr wie ein Wächter vor den Toren Roms – jederzeit bereit, einer drohenden Invasion entgegenzutreten.
„Nein.“ Layla schluckte hart. Sie wusste, dass ihr Lächeln steif und unecht wirkte. „Ich … wollte ihn mit meinem Besuch überraschen.“
In dem Augenblick drang Drakes gereizte Stimme durch die geschlossene Tür seines Büros. Während er sein bedauernswertes Gegenüber zur Schnecke machte, verzog seine Sekretärin ironisch die Lippen.
„Irgendwie glaube ich nicht, dass er in der Stimmung für Überraschungen ist, Miss …“
„Jerome“, half Layla ihr weiter.
„Ja, natürlich. Sie waren neulich schon einmal hier, nicht wahr? Da hat Herr Ashton Sie allerdings erwartet.“
„Richtig. Aber vielleicht könnten Sie ihm trotzdem sagen, dass ich hier bin.“
Die zierliche Blondine unterdrückte einen Seufzer. „Mir ist klar, dass Sie eine gute Bekannte von Mr Ashton sind, aber ich weiß wirklich nicht, wo ich Sie heute Nachmittag noch unterbringen soll. Sein Terminkalender ist bis zum Abend randvoll. Hinterlassen Sie ihm Ihre Telefonnummer oder schreiben Sie ihm eine Nachricht, wenn Ihnen das lieber ist. Ich sorge dafür, dass er sie bekommt.“ Über den Glastresen hinweg schob sie Layla einen Block und einen Kugelschreiber zu.
Layla nahm den Stift und starrte unentschlossen auf das leere Blatt Papier. Es war nicht gerade ein Geniestreich gewesen, unangemeldet in Drakes Büro zu erscheinen. Vielleicht sollte sie sich ein Café in der Nähe suchen und von dort aus versuchen, ihn auf seinem Handy zu
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