Julia Extra Band 375
Verkehr zu konzentrieren, doch ihre Gedanken wanderten immer wieder zu dem Mann neben ihr. Sie hatte nie bemerkt, wie gut man alles hörte, wenn das Radio nicht lief. In der Stille hallte jeder Atemzug, jede kleine Bewegung seines Mantels über den Hosenstoff wider. Sie spürte seine Nähe und versuchte, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Obendrein schien er sich gar nicht bewusst zu sein, dass er so viel Raum einnahm.
„Sie können sich entspannen. Auch wenn alle das Gegenteil behaupten, ich bin nicht der Teufel in Person. Ich beiße nicht.“
Vielleicht bekommt er doch mehr mit, als ich dachte. „Ich weiß.“
„Nicht sehr überzeugend. Sie sind wirklich kein guter Lügner.“
Und Sie sind ein schrecklicher Beifahrer. „Ich fahre Sie schließlich gerade nach Hause. Warum sollte ich das tun, wenn ich Sie für so unausstehlich hielte?“
„Das frage ich mich auch.“
Im Stadtzentrum von Gilmore fuhren sie am Park und an der St. Markus-Kirche vorbei. Mit einem großen Plakat in blauen und goldenen Farben wurde auf das bevorstehende Pancake-Frühstück des Eishockey-Teams hingewiesen.
Liz spürte, dass Charles sie musterte. „Wissen Sie, dass ein gutes Dutzend anderer Angestellter an der Unfallstelle einfach vorbeigefahren sind?“
„Keiner von denen war Ihre Sekretärin.“
„Sehr interessant. Ich war mir gar nicht darüber im Klaren, dass Fahrdienste auch zu Ihrem Job gehören.“
„Nun, ich bin eben eine vielseitige Frau.“ Was natürlich nicht heißt, dass ich deshalb besser bezahlt würde, fügte sie im Stillen noch hinzu.
„Den Eindruck habe ich auch. Sekretärin. Chauffeurin. Bürovertrauensperson.“
Er spielte auf das Gespräch in der Kantine an. Wieder stieg die Frustration in ihr auf. „Zu Ihrer Information: Ich nehme meine Funktion sehr ernst.“ Egal wie unsympathisch mir mein Boss auch ist. „Ich gebe keine Firmengeheimnisse preis.“
„Gut zu wissen. Denn ich muss den Leuten vertrauen können, die unmittelbar mit mir zusammenarbeiten.“
„Geht mir genauso.“
„Wie bitte?“
Ihr war nicht klar, dass sie den letzten Satz laut ausgesprochen hatte. Ihre Wangen röteten sich. „Nichts“, antwortete sie und richtete den Blick fest auf die Straße.
Liz hörte das Rascheln von Stoff. Er hatte sich ihr zugewandt und sah sie eindringlich an. „Elizabeth? Was haben Sie gesagt?“
Eine Spur von Belustigung schien in seiner Stimme zu liegen. Sie zuckte mit den Achseln und hoffte, dass ihre Antwort genauso beiläufig klang: „Ich glaube nicht, dass Sie irgendetwas von dem interessiert, was ich zu sagen habe.“
„Warum lassen Sie mich das nicht selbst entscheiden?“
„Wenn Sie erlauben, enthalte ich mich der Stimme.“
„Sie befürchten, dass etwas auf Sie zurückfällt.“
„Wundert Sie das?“, fragte sie ihn und warf ihm erneut einen Blick zu.
„Ich gebe Ihnen mein Wort.“
„Nun, wie Sie selbst bereits sagten, Vertrauen muss man aufbauen.“
Charles musste schmunzeln.
„Ich meine es ernst.“
„Das ist mir klar. Ich fand Ihre Bemerkung nur sehr …“, er dachte kurz nach, „sehr treffsicher.“
Was für eine eigenartige Wortwahl. „Vielen Dank“, sagte sie etwas verunsichert.
„Ich nehme an, Sie wollen mir damit zu verstehen geben, dass die Angestellten kein Vertrauen zu mir haben.“
„Sie wissen nicht, was sie von Ihnen zu erwarten haben. Erst stirbt Ihr Vater so plötzlich und dann tauchen Sie auf. Sie müssen wissen, dass wir bis vor einigen Monaten nicht einmal geahnt haben, dass es Sie gibt.“
„Ich weiß“, Charles Stimme klang hart, leer und ein wenig zu teilnahmslos. Sie spürte eine Welle von Sympathie und war gleichzeitig verwirrt darüber.
„Für Ihren Vater war die Firma wie eine Familie. Und so hat er uns auch behandelt.“
„Das glaube ich gerne.“
Erneut überkam Liz ein Gefühl von Sympathie.
Zu ihrer Erleichterung tauchte endlich das große silbrig-schwarze Schild des Admiral Mill Komplexes auf. „Da wären wir.“ Und keinen Moment zu früh. Es war ein Wahnsinnstag und diese Fahrt nur der krönende Abschluss einer Reihe von unerwünschten und anormalen Begegnungen mit ihrem Boss. Je schneller er sich verabschiedet, desto besser.
„Vielen Dank für Ihre Hilfe“, sagte er zu ihr.
„Was man nicht alles an einem Arbeitstag schafft. Auf Wiedersehen, Mr Bishop.“
„Gute Nacht, Elizabeth. Wir sehen uns dann morgen früh. Sagen wir sieben Uhr?“
Liz schaute ihn überrascht an. Sieben Uhr? „Ähm, in
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