Julia Extra Band 376
geändert hat.“
„Aber ich gehöre doch eigentlich gar nicht zur Familie!“, protestierte Luisa. „Meine Mutter wurde enterbt, als sie sich in einen Australier verliebte und sich weigerte, den Mann zu heiraten, den ihr Vater für sie ausgesucht hatte.“
Das wusste sie also. Rührte daher vielleicht ihre Feindseligkeit?
„Ihr Großvater hat getobt vor Wut, aber er hat Ihre Mutter nie tatsächlich enterbt. Das haben wir allerdings auch erst jüngst bei seiner Testamentseröffnung erfahren.“ Der alte Prinz von Ardissia war ein jähzorniger Wüterich gewesen, aber auch zu stolz auf seine Abstammung, um einen direkten Abkömmling aus der Erbfolge auszuschließen. „Sie sind zweifelsfrei die berechtigte Erbin.“
Um wie viel leichter wäre sein Leben, wenn es nicht so wäre! Denn wenn es keine Prinzessin von Ardissia gäbe, wäre er nicht in dieser absurden Situation.
„Aber es ist unmöglich!“ Sie beugte sich wieder über die Papiere.
Ein Hauch von Lavendelduft stieg Raul in die Nase, so betörend frisch, dass er tief einatmete. Was für ein Unterschied zu den schweren, teuren Parfüms der feinen Damen von Monteregio!
„Das kann nicht stimmen“, beharrte Luisa. „Er hat auch mich enterbt. So wurde es uns gesagt.“
Raul begegnete ihrem erwartungsvollen Blick und stellte überrascht fest, dass sie mit den geröteten Wangen sogar richtig hübsch war. Faszinierend. „Entgegen allem, was man Ihnen offenbar gesagt hat, sind Sie seine Erbin“, versicherte er. „Sie erben sein Vermögen und seine Verpflichtungen.“ Er bemühte sich um ein aufmunterndes Lächeln. „Ich bin gekommen, um Sie nach Hause zu holen.“
„Nach Hause?“ Luisa sprang so heftig auf, dass ihr Stuhl geräuschvoll über den Boden kratzte. „Das ist mein Zuhause. Ich gehöre hierher.“ Sie deutete auf die gemütliche Küche, die ihr seit Ewigkeiten vertraut war.
Das konnte doch alles nicht wahr sein! Es musste sich um einen schrecklichen Irrtum handeln. Bittere Erinnerungen überkamen sie bei der Erwähnung von Ardissia und Monteregio.
„Jetzt nicht mehr. Vor Ihnen liegt ein völlig neues Leben. Ihre Welt wird sich komplett verändern.“ Bei diesen Worten lächelte er so gewinnend, ja vertraulich, dass Luisa heiß wurde. Was war nur mit ihr los? „Sie werden in den Besitz von Reichtum, Rang und Namen gelangen und ein Leben in Luxus führen. Als Prinzessin.“
Als Prinzessin. Worte, die in Luisa Übelkeit erregten. Mit sechzehn hatte sie sie schon einmal gehört, und zunächst war es ihr wie ein wahr gewordener Traum erschienen. Welches Mädchen fände es nicht aufregend, plötzlich Prinzessin zu sein und einen liebenden Großvater zu haben, der ihr ein aufregendes, privilegiertes Leben versprach?
Mit schwerem Herzen erinnerte sich Luisa daran, wie ihre Mutter ihr blass, aber tapfer lächelnd an diesem Tisch gegenübergesessen hatte. Du allein musst über deine Zukunft entscheiden. Das waren ihre Worte gewesen. Auch wenn sie sich vom höfischen Leben abgewandt habe, müsse Luisa selbst entscheiden, ob sie ihr Geburtsrecht wahrnehmen wolle oder nicht. Und arglos, wie sie war, hatte Luisa sich auf die weite Reise gemacht. Der Traum eines märchenhaften Fürstentums war ebenso verlockend erschienen wie die falschen Versprechungen über eine glückliche Familienzusammenführung.
Die Wirklichkeit hatte sie brutal aus ihren Träumen gerissen. Als sie schließlich das Angebot ihres Großvaters zurückwies und sich auf eigene Kosten auf den Rückweg nach Hause machte, war sie nur froh, dass er sie noch nicht öffentlich als seine Enkelin präsentiert hatte. Vielmehr hatte sie während ihrer „Probezeit“ wie ein abgeschirmter Gast in seinem Haus gelebt.
Jetzt war sie nicht mehr so naiv. Denn sie hatte die hässliche Realität jener höfischen Gesellschaft erlebt, in der Abstammung und Beziehungen mehr zählten als Liebe und Anstand. Und wenn die Taten ihres Großvaters nicht ausreichten, brauchte sie sich nur den Mann ins Gedächtnis zu rufen, den sie zu lieben geglaubt hatte. Mit hinterhältigen Intrigen hatte er versucht, sie zu verführen, weil er aufsteigen und sich dabei ihre Herkunft zunutze machen wollte.
Angewidert schüttelte Luisa den Kopf. „Ich will keine Prinzessin sein.“
Er schwieg so lange, dass sie aufblickte. In seiner Miene spiegelte sich Ungläubigkeit, ja Entsetzen. „Das kann nicht Ihr Ernst sein!“, sagte er schließlich.
„Glauben Sie mir, nie zuvor war mir etwas so ernst.“ Sie brauchte nur
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