Julia Extra Band 376
daran zu denken, dass ihr Großvater sie damals einzig und allein deshalb zu sich eingeladen hatte, um sie zu einer Prinzessin nach seinen Vorstellungen zu formen – einer Marionette, die genau so war, wie seine Tochter nicht hatte sein wollen.
Anfangs hatte Luisa nicht begriffen, dass ihr Großvater nicht nach einer Enkelin suchte, die er lieben würde, sondern nach einer Schachfigur, die er in seinem Machtspiel nach Belieben setzen konnte. Erst als die Nachricht von der unheilbaren Krankheit ihrer Mutter eintraf, zeigte er sein wahres Gesicht. Als Luisa ihn verzweifelt und tränenreich bat, er möge sie nach Australien zurückkehren lassen, lehnte er rundheraus ab. Er verlangte von ihr, jeglichen Kontakt zu ihren Eltern abzubrechen, ansonsten sei ihr neues Leben in Monteregio zu Ende. Und auf die Bitte, doch eine weitergehende medizinische Behandlung ihrer Mutter zu bezahlen, hatte er mit einem Wutausbruch reagiert und dem Hinweis, er dächte nicht daran, sein Geld für ein Weib zu verschwenden, das seiner Welt den Rücken gekehrt habe.
Den herzlosen Verrat an ihrer über alles geliebten Mutter hatte Luisa immer noch nicht verschmerzt. Und diesen Mann sollte sie beerben! Einen grausamen, rücksichtslosen Tyrannen. Damals hatte sie sich geschworen, nie wieder etwas mit ihrer bigotten blaublütigen Familie zu tun zu haben. Und ihr Großvater war außer sich vor Wut gewesen angesichts ihrer „Undankbarkeit“. Oder wohl eher ihrer Unfähigkeit, die ihr zugedachte Rolle zu spielen.
Eine Berührung am Arm riss Luisa aus ihren Gedanken. Raul sah sie eindringlich an. Aus der Nähe war es fast unvermeidlich, dem Bann seiner faszinierenden Augen zu erliegen. Ein warmes Kribbeln durchschoss ihren Körper, und ihr Herz pochte, als wollte es zerspringen. Sie fühlte sich seinem verzehrenden Blick ungeschützt ausgeliefert.
„Was ist es? Woran denken Sie gerade?“, fragte Raul nachdrücklich.
Sie atmete tief ein und bemühte sich verzweifelt, einen klaren Gedanken zu fassen. „Ich denke, Sie sollten mich loslassen.“
Sofort wich er zurück und ließ seine Hand sinken. „Verzeihen Sie. Aber für einen Moment befürchtete ich, Sie würden in Ohnmacht fallen.“
Ihr war tatsächlich etwas flau, was natürlich nichts damit zu tun hatte, dass Raul sie angefasst hatte. Und die Funken, die zwischen ihr und diesem attraktiven Fremden sprühten, bildete sie sich nur ein.
Allerdings strich er sich mit einer Geste durchs makellos frisierte Haar, die zu besagen schien, dass auch er dieses beunruhigende Gefühl empfand. Im nächsten Moment schien er jedoch wieder völlig souverän und Herr der Lage.
Luisa wandte sich ab, schenkte sich ein Glas Wasser ein und trank mehrere große Schlucke. Es war nicht leicht, die Gedanken zu sammeln, während sie Rauls bohrenden Blick im Rücken spürte. Schließlich drehte sie sich wieder zu ihm um.
Er lehnte lässig an der Anrichte, unglaublich sexy und auch ein wenig angsteinflößend. Sein markantes Gesicht wirkte nachdenklich.
„Wenn Sie die Neuigkeit erst einmal verarbeitet haben, werden Sie einsehen, dass es für Sie das Vernünftigste ist, nach Monteregio zu gehen.“
„Besten Dank, aber ich habe die Neuigkeit bereits verarbeitet“, versicherte sie ärgerlich. War ihm eigentlich bewusst, wie herablassend er klang?
Sie spürte seine plötzliche innere Anspannung. Wie eine Raubkatze, bevor sie zum Sprung ansetzt.
„Und das Geld reizt Sie gar nicht?“
Offenbar glaubte er, dass Geld alles andere aufwog. Genau wie ihr Großvater und seine Speichellecker. Luisa hatte schon eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, besann sich jedoch anders. Geld? Im ersten Schock war ihr dieser Aspekt gar nicht in den Sinn gekommen. Nun aber dachte sie an die drückenden Schulden, die dringend nötigen Reparaturen. „Wie viel Geld?“
Gelassen nannte Prinz Raul eine Summe, bei der ihr schwindelig wurde.
Luisa schluckte. „Wann kann ich darüber verfügen?“, fragte sie heiser.
Bildete sie es sich nur ein, oder blitzten seine grünen Augen befriedigt auf?
„Sie sind die Prinzessin von Ardissia, ob Sie sich entscheiden, den Titel zu tragen oder nicht.“ Raul zögerte bedeutsam. „Aber an das Erbe des Vermögens sind bestimmte Bedingungen geknüpft. Sie müssen sich in Monteregio niederlassen und Ihre höfischen Verpflichtungen wahrnehmen.“
„Das kann ich nicht.“
„Natürlich können Sie es. Ich werde alles Nötige in die Wege leiten.“
„Hören Sie mir nicht zu? Ich werde nicht
Weitere Kostenlose Bücher