Julia Extra Band 376
mir.“
„Entspannen?“ Machte er Witze? Luisa presste die Augen zu.
Raul schloss die Arme ganz fest um sie und riss sie zurück. Mit angehaltenem Atem wartete sie auf dieses entsetzliche, mahlende Geräusch, wenn Stein auf Stein reibt. Stattdessen hörte sie, wie Raul tief einatmete. Dann zog er sie ganz langsam und vorsichtig Stück für Stück in Sicherheit. Sie fühlte seine Wärme, als er sie an sich presste. So fest packte er zu, dass sie sicherlich blaue Flecken bekommen würde. Aber was zählten die schon, wenn sie dem Tod entronnen war?
Die Augen immer noch fest geschlossen, erschauerte sie heftig.
„Schsch, alles ist gut. Du bist in Sicherheit.“
Doch sie konnte einfach nicht aufhören zu zittern. Verzweifelt rang sie um Fassung. „Ich hatte schon … immer … Höhenangst.“
„Öffne die Augen.“ Er drängte sie sacht, sich auf den Boden zu setzen. Wie eine Stoffpuppe sank sie in sich zusammen. Immer noch sah sie vor ihrem geistigen Auge die Steine in die Tiefe stürzen, hörte den dumpfen Aufprall.
„Hier. Beug dich vor.“ Raul legte ihr seine Jacke um die zitternden Schultern.
Der dezente Duft seines teuren Aftershaves stieg ihr in die Nase. Luisa atmete tief ein. Ganz langsam beruhigte sie sich.
Zögernd blickte sie auf. Raul stand vor ihr, die Hände in die Hüften gestemmt, und betrachtete sie besorgt. Ohne das Jackett wirkten seine Schultern noch breiter. Langsam glitt Luisas Blick über seinen muskulösen Oberkörper hinab zu den schmalen Hüften. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie er sie auf dem Boot in Paris an sich gepresst hatte. Es war so ein himmlisches Gefühl gewesen!
„Wir müssen dich ins Schloss ins Warme bringen.“
Sie nickte matt und zog sein Jackett fester um die Schultern. „Gleich. Lass mich nur etwas zu Atem kommen.“
Wortlos setzte Raul sich zu ihr auf den Boden, zog sie auf seinen Schoß und lehnte sich mit ihr an die Wand gegenüber der Abbruchstelle.
Luisa wehrte sich nicht. Obwohl es nicht klug war, ihm so nahe zu kommen. Aber sie fühlte sich in seinen Armen sicher und geborgen.
„Ich hoffe, diese Wand ist nicht auch so baufällig!“
„Keine Sorge, das Problem besteht nur auf der anderen Seite.“ Er drückte sie beruhigend an sich. „Hast du denn das Warnschild nicht gelesen?“
Sie erinnerte sie vage an ein Schild am Fuß des Turms, aber sie hatte es kaum eines Blickes gewürdigt. „Die Tür war unverschlossen!“
„Das wird nicht noch einmal vorkommen“, entgegnete er nachdrücklich. „Bis das Mauerwerk repariert ist. Warum bist du überhaupt hier heraufgestiegen? Die Aussicht von der anderen Seite des Schlosses ist doch viel besser.“
„Ich … wollte den Barockgarten sehen. Gregor hatte ihn mir gezeigt, aber von oben bekommt man einen viel besseren Eindruck.“
„Gregor?“, fragte Raul scharf.
Luisa blickte ihn an. Sie war ihm so nahe, dass sie in seinen faszinierenden grünen Augen winzige Goldsprenkel entdeckte. „Ja …“ Wie magisch angezogen, beugte sie sich weiter vor, um im letzten Moment zurückzuweichen. „Einer deiner Gärtner. Er hat mich ein wenig herumgeführt.“
„Hat er dich etwa ermutigt, den Turm zu besteigen?“
„Nein, natürlich nicht.“ Im Nachhinein kam es ihr sogar so vor, als hätte Gregor sie davor gewarnt, nur hatte sie seine Gesten nicht verstanden. „Danke, dass du mich gerettet hast“, sagte sie jetzt reichlich verspätet.
„Ich bin nur froh, dass ich dich im rechten Moment hier oben gesehen habe.“
Seine ehrliche Besorgnis machte es ihr schwer, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie eiskalt er sie erpresst hatte. „Ja, stell dir vor, du hättest mich nicht mehr rechtzeitig erreicht. Dann gäbe es jetzt womöglich keine Prinzessin mehr, die du heiraten könntest, und du könntest den Thron nicht besteigen.“
Er umfasste ihr Kinn, sodass sie ihn ansehen musste. „Wenn es keine Prinzessin gäbe, wäre ich nicht länger an den Kontrakt gebunden.“ Verführerisch streichelte er ihre Wange. Luisa fühlte eine wohlige Wärme in sich aufsteigen und hatte nicht die Kraft, dagegen anzukämpfen. „Ich wäre frei zu heiraten, wen ich will.“
„Gäbe es denn jemanden, den du heiraten wolltest?“, flüsterte sie.
„Keine Sorge.“ Er beugte sich langsam zu ihr vor. „Du stehst nicht zwischen mir und der Liebe meines Lebens.“
Sie spürte seinen warmen Atem auf der Wange. „Du bist wirklich skrupellos, nicht wahr?“ Es war mehr eine Feststellung als ein Vorwurf. Nach dem
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