Julia Extra Band 376
glaubte.
Raul beeilte sich, in sein Arbeitszimmer zu kommen, denn es standen wie immer viele Termine an. Das Fest am nächsten Tag würde für eine Hochzeit am Fürstenhof eine eher kleine Angelegenheit werden, weil sich Monteregio ja noch in Trauer um seinen Vater befand.
Ganz persönlich sah er der bevorstehenden Hochzeitsnacht immer ungeduldiger entgegen, denn je mehr Zeit er mit seiner zukünftigen Braut verbrachte, desto mehr begehrte er sie, desto mehr faszinierte sie ihn. Sie war so überschäumend vor Energie, kompromisslos eigenständig und immer für eine Überraschung gut.
Lukas fing ihn vor seinem Arbeitszimmer ab. „Eure Hoheit …“
„Ja? Bin ich zu spät zu meiner Besprechung?“
„Nein.“ Sein Sekretär zögerte unbehaglich. „Sie haben Besuch. Ich wollte Sie vorwarnen …“
„Raul, Darling!“
Beim Klang dieser aufreizend rauchigen Frauenstimme blieb Raul wie angewurzelt stehen. Doch sofort riss er sich zusammen und ging auf die Blondine zu, die auf der Schwelle zu seinem Arbeitszimmer erschienen war.
„Eine unerwartete Überraschung, Ana. Warum bist du hier?“
„Du hast doch nicht gedacht, dass ich mir deine Hochzeit entgehen lasse, Darling?“ Sie verzog die dunkelrot geschminkten Lippen zu einem eindrucksvollen Schmollmund. „Leider muss deine Einladung verloren gegangen sein. Aber es ist mir über andere Kanäle zugetragen worden.“
Er blieb einen Meter von ihr entfernt stehen. Wie hatte er sich nur einbilden können, sie nie wiedersehen zu müssen? Aber da sie sich hier nicht in der Öffentlichkeit befanden, brauchte er wenigstens keine Höflichkeit zu heucheln. Und eher würde die Sonne am Abend aufgehen, als er die Einladung annahm, die ihr Schmollmund ohne Worte aussprach. Denn sie war die Frau, deretwegen er vor acht Jahren durch die Hölle gegangen war.
7. KAPITEL
„Luisa, du siehst so wunderschön aus“, hauchte Tamsin, die englische Ehefrau von Prinz Alaric, bewundernd. Alaric war ein entfernter Cousin von Raul.
„Meinst du?“ Luisa betrachtete sich zweifelnd im Spiegel. In ihrem elegant frisierten Haar schimmerte dezent ein zartes Diadem aus Gold und Perlen, das einen meterlangen Schleier aus feinster handgefertigter Spitze hielt – ein Familienerbstück. Überhaupt repräsentierte ihre gesamte Ausstattung die erlesenste traditionelle Handwerkskunst Monteregios: kostbare Spitze aus der einen Provinz, aus einer anderen ein filigranes goldenes Kollier, das ihrem schlanken Hals schmeichelte. Und wieder aus einer anderen Provinz die zierlichen perlenbestickten Schuhe.
Langsam drehte sich Luisa vor dem Spiegel. War das wirklich sie? Eine Frau, die vor Kurzem noch den ganzen Tag in Jeans und Gummistiefeln herumgelaufen war?
„Wie eine Märchenprinzessin.“ Tamsin zupfte den langen Rock zurecht, sodass die cremefarbene Seide in perfekten Falten fiel.
„Ich fühle mich gar nicht so.“ Luisa hatte ein ganz flaues Gefühl im Magen.
„Vertrau mir.“ Tamsin drückte ihr aufmunternd die Hand. „Dein Anblick wird allen den Atem rauben. Vor allem Raul. Er wird nur noch dich sehen.“ Sie lächelte.
Für einen Moment malte Luisa sich aus, wie es wohl wäre, aus Liebe zu heiraten. Doch es war ein zu gefährlicher Traum. Denn Raul hatte sie nicht aus Liebe erwählt, sondern schlicht und einfach, weil er keine andere Wahl gehabt hatte!
„Es ist so lieb von dir, mir bei den Vorbereitungen zu helfen“, wandte sie sich mit einem scheuen Lächeln an Tamsin, die sie bereits ins Herz geschlossen hatte.
Auch wenn es keine Liebesheirat war, so war dies doch ihr Hochzeitstag, und sie hatte ihre Mum noch nie so vermisst.
„Alles wird gut.“ Tamsin drückte ihr erneut beruhigend die kalten Hände. „Ich weiß so gut, wie es ist, in eine ganz andere Welt hineinzuheiraten. Einen Prinzen zu heiraten. Aber Raul wird auf dich aufpassen. Er ist genau wie mein Alaric: stark und fürsorglich.“ Sie sah Luisa vielsagend an. „Und ich vermute, hinter seiner kultivierten Fassade sehr leidenschaftlich.“
Luisa errötete tief, und Tamsin lachte vergnügt. „Entschuldige, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Aber manchmal habe ich immer noch das Gefühl, dass ich mich kneifen muss, weil es so unwirklich ist.“
„Das kann ich gut nachvollziehen“, bestätigte Luisa. Tamsin war am Hof von Monteregio auch eine Außenseiterin – eine Bürgerliche und Ausländerin. Doch sie liebte Alaric. Luisa hingegen musste ihrer Ehe und der damit verknüpften Last
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