Julia Extra Band 376
Gesprächspartner. „Wäre es möglich, dass die Prinzessin und ich uns den Rest der Ausstellung allein ansehen?“
Der Kurator war sofort Feuer und Flamme. Ein derartiges Interesse konnte ihm nur recht sein. Wenige Minuten später waren Raul und Luisa allein, wenn man die diskrete Wache an der Tür nicht mitzählte.
„Danke.“ In Luisas schönen Augen schimmerten Tränen.
Raul sah sie besorgt an. „Alles in Ordnung?“ Er hatte ihr eigentlich eine Freude machen wollen.
„Ja, aber ich habe einfach nicht erwartet, die Arbeiten meiner Mutter in einer Ausstellung zu sehen. Eine wundervolle Überraschung.“
„Sie war talentiert. Schade, dass sie ihre botanischen Zeichnungen nicht weitergeführt hat.“
„Sie hat immer gesagt, es sei eine Kunst, der man sich mit ganzem Eifer widmen müsse. Das war ihr nicht mehr möglich, weil die Farm ihr keine Zeit dafür ließ.“
Er nickte. Ihre Mutter hätte viele Ausstellungen mit ihren Zeichnungen füllen können, wenn sie sich nicht für dieses mühsame Leben entschieden hätte. Und das alles für die angebliche Liebe eines Mannes, der ihr doch so wenig bieten konnte.
Die Menschen waren dumm, auf den Traum von der Liebe hereinzufallen. Die sogenannte Liebe war eine Illusion. Eine Falle für die Unvorsichtigen. Hatte er das nicht am eigenen Leib erfahren und einen hohen Preis dafür bezahlt?
„Es war sehr lieb von dir, mit mir hierherzukommen.“ Sie lächelte ihn mit einem Augenaufschlag an, der ebenso arglos wie verführerisch war. „Lukas hat mir erzählt, dass du eigentlich gar keine Zeit für derartige Dinge hast, vor allem jetzt.“
„Kein Problem. Ich hatte sowieso mit dem Kurator Verschiedenes zu besprechen.“ Auf keinen Fall sollte Luisa erfahren, dass er extra ihretwegen seinen Terminplan geändert hatte.
Denn ihn quälte ständig ein schlechtes Gewissen. Luisa war seinetwegen hier, zum Wohl seines Landes. Aber was hatte sie persönlich davon? Geld oder Prestige waren ihr offenbar nicht wichtig. Das Vermögen ihres Großvaters hatte sie nur insoweit interessiert, als sie damit die Farm ihrer Freunde retten konnte.
Raul verkniff sich ein spöttisches Lächeln. Sich ihn zu angeln, war wohl auch nicht ihr Traum, selbst wenn sie nicht verbergen konnte, dass sie ihn begehrte, als er sie geküsst hatte. Nein, im Großen und Ganzen erteilte Luisa Hardwicke seinem Ego einen heilsamen Dämpfer.
„Ich hatte keine Ahnung, dass man die Arbeiten meiner Mutter hier so schätzt.“
Luisa wandte sich ab, um die filigrane Zeichnung einer seltenen Bergblume genauer zu betrachten, und Raul folgte ihr.
„Erzähl mir von ihr. Sie muss eine starke Frau gewesen sein, um deinem Großvater die Stirn zu bieten.“
„Vielleicht liegt das bei uns in der Familie“, erwiderte Luisa unwillkürlich.
„Wie meinst du das?“
„Vergiss es. Für mich war sie auch etwas ganz Besonderes. Wie für meinen Dad.“ Luisa lächelte. „Ihre Zimtplätzchen zu Weihnachten waren die besten. Und ihre Umarmungen. Man fühlte sich gleich viel besser. Sie liebte Rosen … und exklusive Mode. Wie oft haben wir zusammen in Magazinen gestöbert, auch wenn wir uns die Sachen natürlich nicht leisten konnten.“
Ganz selbstverständlich nahm Raul Luisas Hand, als sie zur nächsten Zeichnung weitergingen, und Luisa fügte hinzu: „Bügeln war ihr ein Gräuel, und sie hasste es geradezu, früh aufzustehen.“
„Dann war sie für die Rolle der Farmersfrau also völlig ungeeignet.“ Obwohl es nicht so klang, als wäre die Ehe von Luisas Eltern unglücklich gewesen.
Zum ersten Mal hörte er Luisa herzlich lachen und konnte gar nicht genug davon bekommen.
„Das hat Dad auch immer gesagt!“
Raul, der Luisas wehmütiges Lächeln sah, beneidete sie um diese Kindheit voller Liebe, Zimtplätzchen und Wärme. „Wie konnte es funktionieren, wo sie doch so verschieden waren?“
„Dad sagte, Mum gebe ihm das Gefühl, ein König zu sein. Und Mum meinte, bei ihm fühle sie sich eher wie eine Prinzessin, als sie es je in einem Palast getan hatte. Ihr Vater, mein Großvater, wollte sie zwingen, einen Mann zu heiraten, den sie verabscheute. In der Zeit hatte sie nicht viel zu lachen, anders als bei uns zu Hause. Ich denke, Mum und Dad haben sich geliebt, das war das Geheimnis.“
Und natürlich hat Luisa sich dasselbe erträumt, bis ich aufgetaucht bin. Noch nie war Raul die Erfüllung seiner Pflicht so schwergefallen. Er war dazu verdammt, Luisa zu enttäuschen. Weil er nicht an die Liebe
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