Julia Extra Band 376
Gefühl. Der Klatsch war ihm egal.
Bestens gelaunt wandte er sich mit einer kleinen, launigen Ansprache an die erlesene Hochzeitsgesellschaft. Als er fertig war, hatte er die Lacher auf seiner Seite, und der Applaus wollte kein Ende nehmen. Luisa sah Tamsin und Alaric, die über das ganze Gesicht strahlten.
Raul winkte noch einmal in die Runde, dann drehte er sich zu Luisa um. „Zeit, dass wir gehen.“
Wenn seine Aufforderung sie überraschte, ließ sie es sich kaum anmerken. Stattdessen lächelte sie geistesgegenwärtig und winkte ihren Gästen ebenfalls zu. Sie war wirklich eine tolle Frau.
Einen Moment später führte Raul sie bereits durch die Doppeltüren hinter dem Thron hinaus, die ihnen von zwei Lakaien aufgehalten wurden.
Das alles geschah so schnell, dass es Luisa ganz unwirklich vorkam.
Nur zwei Dinge waren real: Rauls warme Hand, mit der er immer noch ihre hielt, und die Tatsache, dass sie nun verheiratet waren. Sie hatte sich an diesen Mann gebunden. Es gab kein Zurück mehr. Auch wenn ihr die Vorstellung nach wie vor Angst machte, meldete sich jetzt mit jedem Schritt noch ein ganz anderes, aufregendes Gefühl, das ihr Herz schneller schlagen ließ.
Raul blieb schließlich stehen und hielt ihr eine Tür auf. Doch kaum hatte sie den Raum betreten, verharrte sie wie angewurzelt. Sie befand sich in Rauls Privatgemächern. Ehe sie es sich anders überlegen konnte, schloss er die Tür hinter ihnen zu, und sie waren allein.
„Komm.“ Er drängte sie sacht vorwärts. „Du musst etwas essen. Auf dem Empfang hast du gar nichts gegessen.“
„Woher weißt du das?“ Während der meisten Zeit hatten sie sich an entgegengesetzten Enden des riesigen Saals befunden.
„Ich habe dich nie aus den Augen gelassen.“
Sie schwieg verblüfft. Es war eine aufregende Vorstellung, dass er sie beim Gespräch mit all den hochgestellten Persönlichkeiten immer im Blick gehabt hatte.
Verspätet bemerkte sie, dass vor einem großen, einladenden Samtsofa ein langer Tisch für zwei Personen gedeckt war. Exquisites Kristall und Silber schimmerte im Licht flackernder Kerzen. Eine Flasche Champagner stand in einem silbernen Kühler bereit, kalter Hummer lockte appetitlich angerichtet neben Kaviar.
„Das siehst sehr … intim aus“, meinte sie fast vorwurfsvoll.
„Ist das so wichtig?“
„Natürlich ist es das! Es das Klischee einer Verführungsszene.“
„Magst du keinen Hummer?“
„Doch … schon.“
„Oder kein Obst?“ Raul deutete auf die überreich gedeckte Tafel.
Luisa sah eine Schale mit ihren liebsten Früchten: Pfirsichen, Kirschen und Orangen. Daneben eine Schüssel mit frischen Beeren, nicht zu vergessen ein Korb mit knusprigen Brötchen. Aber nicht die feinen weißen Brötchen, die an der fürstlichen Frühstückstafel serviert wurden, sondern herzhaftes Vollkornbrot mit Körnern, wie sie es durch Zufall bei einem Ausflug in die Küche entdeckt hatte. Nach einem traditionellen Bauernrezept gebacken, war es das beste Brot, das sie je gegessen hatte.
Bei genauerem Hinsehen bemerkte sie Röschen von Butter auf Eis, ein Brett mit verschiedenem Käse und eine Silberschale mit Cashewkernen. Wirklich alles, was ihr Herz begehrte. Ja, unfassbarerweise stand da ein Glas mit hausgemachter Marmelade, dessen Etikett in Marys unverkennbar krakeliger Handschrift die Aufschrift „Himbeermarmelade“ trug.
Gerührt blinzelte Luisa gegen Tränen an. Sie konnte kaum glauben, dass Raul sich all die Mühe gemacht hatte. Kein Zweifel, er hatte nicht einfach in die Hände geklatscht und von seinen Lakaien ein Essen anrichten lassen, sondern dies war ganz speziell für sie ausgesucht. So viel Aufmerksamkeit hatte sie nicht erwartet.
„Woher wusstest du …?“ Sie verstummt überwältigt.
„Dass du lieber Obst als Torte und lieber Käse als Pralinen isst?“
Sie nickte und drehte sich zu ihm um. Er war ihr so nahe, dass sie wieder die faszinierenden Goldsprenkel in seinen grünen Augen sah.
„Weil ich alles registriere, was dich betrifft“, antwortete er sanft „Du bist jetzt meine Frau, und ich möchte, dass du glücklich bist.“
Worte, die ihr Herz berührten, auch wenn sie es sich nicht einzugestehen wagte. „Aber doch nicht so …“ Sie deutete auf das Samtsofa, die Kerzen, die Champagnergläser. „Wir hatten uns auf eine Zweckehe geeinigt, aus juristischen Gründen, damit du dein Thronerbe antreten kannst, erinnerst du dich?“ Wen wollte sie überzeugen, sich oder ihn? In dem Moment, als sie
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