Julia Extra Band 376
Blick. Er wirkte genauso verblüfft wie sie. Sein dunkles Haar war zerzaust, was ihn viel jünger und nicht so unnahbar aussehen ließ. Obwohl es ihr in den Fingern kribbelte, ihm eine Locke aus der Stirn zu streichen, traute sie sich nicht. Befangen wollte sie das Gesicht abwenden, aber er umfasste ihr Kinn und hinderte sie daran.
„Du hast es mir gar nicht gesagt.“
„Was habe ich dir nicht gesagt?“
„Dass es dein erstes Mal war.“
War es so offensichtlich gewesen? In der Hitze der Leidenschaft war es Luisa egal gewesen. Hatte sie ihn enttäuscht? „Ist es so wichtig?“
„Natürlich ist es wichtig. Ich hätte darauf geachtet, dass es schöner für dich ist.“
Wie hätte es noch schöner sein können? Allein bei der Erinnerung daran, was sie soeben in Rauls Armen erlebt hatte, stockte ihr der Atem.
Raul schien ihre Gedanken zu lesen. „Ich könnte es jetzt nachholen“, flüsterte er.
Erschreckend, wie leicht er sie in Versuchung führen konnte. Sie musste es einfach schaffen, das, was gerade zwischen ihnen passiert war, genau wie er als bloßen Sex zu betrachten.
„Lass mich bitte aufstehen. Das Kleid wird völlig ruiniert sein.“
Sein Lächeln verschwand. Wortlos rollte er von ihr herunter.
Ohne ihn fühlte sie sich seltsam verloren. Mit zittrigen Händen zog sie sich die seidenen Röcke des Hochzeitskleids herunter, während Raul aufstand und scheinbar gelassen seine Kleidung in Ordnung brachte. Anders als sie war er ja leidenschaftliche Affären gewöhnt. Sex war nichts Besonderes für ihn.
Luisa wich seinem Blick aus. Stattdessen setzte sie sich hin und betrachtete bestürzt ihr völlig zerknittertes Kleid. „Es ist ruiniert.“
„Unsinn. Wir haben eine erstklassige Reinigung im Palast. Die kriegen das wieder hin.“
Zweifelnd strich Luisa über das Mieder und entdeckte sogar einen winzigen Riss in der zarten Spitze, wo Raul ihre Brüste liebkost hatte. Was ihr eben noch so himmlisch schien, hatte plötzlich seinen Zauber verloren. „Man wird sofort wissen, was wir getan haben.“
„He, keiner erwartet, dass wir enthaltsam leben.“ Er fasste unter ihr Kinn, sodass sie ihn ansehen musste. „Schämst du dich etwa?“
Im Bann seiner faszinierenden Augen fühlte sie erneut ein erregendes Flattern im Bauch. Es war nicht vorbei. Sie sehnte sich immer noch nach seinen Zärtlichkeiten.
„Nein, ich schäme mich nicht“, sagte sie deshalb ehrlich. Sie wollte ihn, immer noch, immer wieder. Mochte es auch nicht klug sein, den Mann zu begehren, der sie zu dieser Ehe erpresst hatte, so waren ihre Gefühle doch stärker als ihr Stolz.
„Das ist gut, denn ich habe vor, es oft zu wiederholen“, versprach Raul und streichelte ihr die Wange. „Und jetzt dreh dich um, damit ich dir aus diesem Kleid helfe. Nach einem ausgiebigen Bad wirst du dich besser fühlen.“
Schweigend kehrte sie ihm den Rücken zu. Auch wenn es ihr schwerfiel, ihre widerstreitenden Empfindungen zu begreifen, erfüllte sie eines mit Genugtuung: Raul war seinen leidenschaftlichen Gefühlen genauso ausgeliefert gewesen und hatte völlig die Kontrolle verloren.
„Halt still, sonst verheddere ich mich noch in deinem Schleier.“
Unerwartet behutsam löste er die Klammern aus ihrem Haar, nahm ihr den Schleier ab und deponierte ihn zusammen mit dem Diadem achtlos auf einem Stuhl. Ein Beweis, aus welch verschiedenen Welten sie stammten.
Dann setzte er sich hinter sie auf die Bettkante und machte sich daran, die unzähligen kleinen Knöpfchen aufzuknöpfen, die die Rückseite des Kleides zierten. Luisas Herz pochte, als sie seine Finger zart in ihrem Nacken spürte.
„Warum warst du eigentlich so heftig dagegen, hierherzukommen? Ich meine, einmal abgesehen von der Heirat … du warst von Anfang an so negativ eingestellt und eigentlich entschlossen, dein monteregianisches Erbe auszuschlagen.“
„Ärgert es dich, dass ich bei deinem Anblick nicht gleich dahingeschmolzen bin?“, versuchte sie, mit einer spöttischen Antwort abzulenken.
„Wenn ich das je erwartet habe, bin ich inzwischen klüger geworden. Außerdem mag ich dich, wie du bist.“
Es klang gar nicht verärgert, sondern eher bewundernd. Oder bildete sie sich das nur ein?
„Willst du es mir nicht erzählen?“, fragte er schmeichelnd, während er weiter ganz behutsam die winzigen Knöpfe öffnete.
Sie schloss die Augen. Was konnte es schaden? „Als ich sechzehn war, wurde bei meiner Mutter eine unheilbare Krankheit festgestellt. Ich habe sie dann
Weitere Kostenlose Bücher