Julia Festival 94
„Nein.“
Das brachte Alexio aus seiner künstlichen Ruhe. „Ich habe dir bereits erklärt, wie ich darüber denke“, sagte er scharf. „Jeder Grieche hält es für ein Vorrecht, seine Frau zu ernähren.“
Ione kannte Alexios Meinung und bedauerte, dass sein Stolz jeder vernünftigen Überlegung im Weg stand. Es war schwer vorstellbar, dass Minos und Alexio lange miteinander auskommen würden, und dann wollte sie die Möglichkeit haben, beide zu schützen. Früher oder später würde Minos Geschäfte machen, die Alexio widerstrebten. Er würde versuchen, bei „Gakis Holdings“ auszusteigen, und aus Rache würde Minos alles tun, um ihn zu vernichten. Dann würde auch Alexio begreifen, dass es gut war, eine reiche Frau zu haben, deren Vermögen nicht in einem Treuhandfonds für die Nachkommen festgelegt war.
„Ich werde in diesem Punkt keinen Kompromiss machen“, beharrte Alexio in einem Ton, bei dem es Ione eiskalt über den Rücken lief. „Es ist eine Frage der Ehre und des Rechts.“ Damit schob er sie ins Badezimmer und schloss die Tür.
Das hast du von deiner Ehrlichkeit!, dachte Ione und machte vor Ärger eine so heftige Bewegung, dass sämtliche Flaschen mit Badeessenzen in die Wanne fielen und zerbrachen. Die verschiedenen Flüssigkeiten mischten sich zu einer bunten Farbpalette und verströmten einen so starken Duft, dass Ione beide Fenster öffnen musste.
Als sie ins Schlafzimmer zurückkam, lag Alexio halb aufgerichtet im Bett. Er hatte sich mehrere Kissen unter den Rücken gestopft, ein Bein ragte unter der Bettdecke hervor.
„Was mich betrifft, agápi mou“, sagte er unvermittelt, „so ist auch dies eine Frage des Vertrauens. Hältst du mich für fähig, dich zu ernähren, oder nicht?“
Ione bedauerte, Alexio genug Zeit gegeben zu haben, um sich das für ihn wirkungsvollste Argument zurechtzulegen.
„Wie kannst du annehmen, dass ich daran zweifle?“, fragte sie ihrerseits. „Wie kommst du überhaupt dazu, mir eine solche Frage zu stellen?“
Alexio ließ sich nicht ablenken. „Ja oder nein?“
Ione wusste, dass schon der geringste Zweifel Alexios Stolz nachhaltig verletzen würde, und tat etwas, was sie noch nie getan hatte. Sie zog ihr Nachthemd so langsam und verführerisch aus, wie es ihr möglich war, und schlüpfte zu Alexio unter die Decke.
„Nein, natürlich nicht“, hauchte sie und bog den Kopf so weit zurück, dass ihr blondes Haar wie ein dichter Schleier nach hinten fiel.
„Du Zauberin“, flüsterte Alexio, zog Ione in seine Arme und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen.
Während des folgenden Wochenendes führte Ione ein langes Telefongespräch mit ihrer Halbschwester Freddy. Außerdem erklärte sie sich bereit, bei ihrem nächsten Londoner Aufenthalt mit ihrem leiblichen Vater Oliver Sargent zusammenzutreffen.
Die Flitterwochen waren endgültig vorbei, und es wurde höchste Zeit für Alexio, nach Griechenland zurückzukehren, Ione trennte sich nur schweren Herzens von ihrer Zwillingsschwester, aber eine – wenn auch vorübergehende – Trennung von Alexio wäre noch schwerer gewesen. Deshalb lehnte sie Mistys Vorschlag, noch eine Weile ohne Alexio bei ihr zu bleiben, ab.
Kurz bevor sie in Heathrow in die Maschine nach Athen stiegen, erhielt Alexio einen dringenden Anruf, den er allein entgegennahm. Erst nach dem Start, als der Jet seine Reisehöhe erreicht hatte, bemerkte Ione Alexios ernsten, besorgten Gesichtsausdruck.
„Was ist los?“, fragte sie.
Alexio antwortete nicht gleich. Ihm war gerade mitgeteilt worden, dass sich der gesundheitliche Zustand seines Schwiegervaters ohne scheinbaren Anlass dramatisch verschlechtert hatte. Die Ärzte wollten die geplante Operation nicht mehr verantworten, und es war abzusehen, wie lange Minos noch leben würde.
Alexio sah Iones arglosen Blick auf sich gerichtet und verwünschte seine Skrupel, das Minos gegebene Wort zu brechen.
„Dein Vater ist schwer krank“, sagte er endlich mit Überwindung.
Ione wurde sehr blass. „Seit wann geht es ihm schlechter?“
Alexio nahm ihre Hand und erzählte ihr so schonend wie möglich, was Minos ihm schon vor Wochen anvertraut hatte.
Die Nachricht traf Ione schwer. Sie entzog Alexio die Hand und fragte stockend: „Dad stirbt, und … du hast mir nichts davon gesagt?“
„Dein Vater wünschte, dass sein Zustand dir und deiner Tante verschwiegen würde“, antwortete Alexio. „Er sollte operiert werden, aber dafür ist es inzwischen zu spät. Wir nahmen an, die
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