Julia Festival 94
Herzens betrat Misty das Sprechzimmer und nahm auf Dr. Flemings Wink hin Platz.
„Vor drei Jahren hat man Ihnen gesagt, dass Sie keine Kinder bekommen könnten“, begann er gewichtig, „aber Ärzte neigen zur Vorsicht, wenn es um so heikle Dinge geht. Offenbar hat man Ihnen damals eine zu negative Diagnose gestellt, denn es besteht kein Zweifel daran, dass Sie schwanger sind.“
Misty traute ihren Ohren nicht. „Was sagen Sie da?“
Dr. Fleming lächelte. „Sie erwarten ein Baby, Miss Carlton.“
Misty konnte den Doktor nur fassungslos ansehen. Was sie da hörte, war zu ungeheuerlich. Zuerst kam es ihr wie ein grausamer Scherz vor, aber dann keimte Hoffnung in ihr auf.
„Also, Miss Carlton, da ich annehme, dass es sich um einen unerwünschten Zwischenfall handelt …“
„Es ist kein unerwünschter Zwischenfall … es ist ein Wunder.“
Dr. Fleming bemühte sich zu erklären, dass man eine normale Schwangerschaft keineswegs als Wunder auffassen könne, aber er predigte tauben Ohren. Misty blieb bei ihrer Behauptung, verließ die Praxis wie auf Wolken und suchte das bekannteste Babyfachgeschäft der kleinen Stadt auf. Hier betrachtete sie andächtig die winzigen Kleidungsstücke, begeisterte sich an den Kinderwagen und verlor sich über dem Spielzeug in seligen Träumereien.
Sie erwartete ein Kind von Leone. Er hatte ihr das Herz gebrochen, aber was bedeutete das, gemessen an einem neuen Leben? Sie kaufte ein Buch über Schwangerschaft und tat dabei einen inneren Schwur. Dies war nicht Leones, sondern ihr Baby. Dass er in gewissem Sinn daran beteiligt war, wollte sie nicht abstreiten, aber von jetzt an gehörte es ihr allein.
Als sie an einem Zeitungsladen vorbeikam, fiel ihr eine groß aufgemachte Schlagzeile ins Auge: OLIVER SARGENT TRITT ZURÜCK.
Für Misty war das keine Überraschung. Ihr Vater war während der letzten Wochen nicht mehr aus den Schlagzeilen verschwunden. Der Entdeckung einer unehelichen Tochter waren andere, weitaus schwerer wiegende Entdeckungen gefolgt. Er hatte sich regelmäßig von zweifelhaften Geschäftsleuten bestechen lassen und ihnen dafür Vorteile verschafft. Ein Skandal war dem anderen gefolgt, und am Ende hatten ihn auch seine engsten Freunde fallen lassen, womit sein politisches Schicksal besiegelt war.
Für einen Augenblick wurde Misty von Mitleid für den Vater ergriffen, den sie nie gehabt und nie gekannt hatte. Ob er sie für seinen plötzlichen Sturz verantwortlich machte, oder war sie ihm weiterhin so gleichgültig wie bisher? Er hatte seine beiden Töchter ihrem Schicksal überlassen und war der sterbenden Battista nicht zu Hilfe gekommen, um in der Öffentlichkeit weiter untadelig zu erscheinen. Konnte man einem solchen Mann ernsthaft nachtrauern, auch wenn es der eigene Vater war?
Während der Rückfahrt nach „Fossetts“ wandten sich Mistys Überlegungen „Carlton Catering“ zu. Zwei ihrer Angestellten hatten inzwischen gekündigt und anderswo Arbeit gefunden. Das Geschäft lief nicht mehr so, wie es sollte. Ab und zu wurde sie für eine private Dinnerparty angefordert, aber sie hatte bald gemerkt, dass man sie aus den falschen Gründen engagierte. Man wollte seinen Gästen Oliver Sargents uneheliche Tochter und Leone Andracchis verlassene Geliebte präsentieren. Sie war zu einem Sensationsobjekt geworden, und daran würde sich so bald nichts ändern.
Misty wusste jetzt, dass sie schwanger war, da erschien es am vernünftigsten, „Carlton Catering“ zu verkaufen und sich eine andere Stellung zu suchen. Von dem Erlös konnte sie Leone einen Teil des Geldes zurückzahlen, das sie angenommen hatte, ohne zu ahnen, dass er damit ihren Vater erledigen wollte. Misty kannte sich genau. Sie würde erst wieder ruhig schlafen, wenn diese Schuld beglichen war.
Zu Hause fand Misty die tägliche Post vor, darunter auch einen Brief der Bank, bei der sie die Hypothek für „Fossetts“ aufgenommen hatte. Sie öffnete ihn mit einer bösen Vorahnung, fand aber nur einen Scheck, mit dem ihr die letzte gezahlte Rate zurücküberwiesen wurde. Sie rief sofort bei der Bank an und erfuhr zu ihrem Erstaunen, dass die Hypothek in voller Höhe abgelöst worden war.
Blass vor Zorn, legte sie den Hörer auf. Leone! Nur Leone konnte sich eine so großzügige Geste erlauben. Er dachte immer noch, dass sie käuflich wäre, aber sie würde ihn eines Besseren belehren. Sie wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben, und sein widerliches Geld wollte sie am
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