Julia Festival Band 0103
Augen war Luke einfach machtlos. So stimmte er zu, obwohl er genau wusste, dass er besser gehen sollte, solange das noch so einfach möglich war. „Ich hole die Sachen sofort von unten hoch.“
Holly setzte den Wasserkessel auf, wischte den Couchtisch im Wohnzimmer ab und stellte ihn zwischen die beiden riesigen Polstersessel. Dann machte sie die Fenster sperrangelweit auf, weil sie hoffte, das würde den muffigen Geruch im Zimmer vertreiben.
Gegen ihre glühenden Wangen jedoch war selbst die eisige Zugluft machtlos. Holly konnte sich immer noch nicht erklären, wieso sie sich derart stark zu einem Mann hingezogen fühlte, den sie erst gut eine Stunde kannte.
Als Luke mit der Milch und den Keksen zu ihr zurückkam, hatte sie sich jedoch so weit unter Kontrolle, dass ihr der innere Aufruhr nicht anzumerken war und ihre Hand ruhig blieb, als sie ihm den Becher Tee reichte.
„Danke.“ Luke blickte sich um. „Hier ist es wirklich ungemütlich kalt.“
„Ja“, gab sie zu. „Ich habe das Fenster aufgemacht.“
„Und ich werde es wieder schließen.“
Der Raum schien plötzlich unerträglich eng, und Luke erinnerte Holly an Gulliver bei den Liliputanern – und das nicht nur wegen seiner langen Beine und breiten Schultern. Manche Menschen hatten eine Ausstrahlung, die sie aus der Menge hervorhob, und Luke Goodwin gehörte zweifellos dazu.
Holly rutschte unruhig auf die äußerste Sesselkante. „Was haben Sie in Afrika eigentlich gemacht?“
Er nahm seinen Becher in beide Hände und blickte gedankenverloren in den dampfenden Tee. „Ich war Wildhüter und habe einen Nationalpark geleitet.“
„Oh!“ Holly gab sich alle Mühe, unbeeindruckt zu erscheinen. Sie schlug die Beine übereinander. „Dann haben Sie ja in einer ganz anderen Welt gelebt. Kommt es Ihnen in England jetzt nicht sehr langweilig vor?“
„Um das zu beurteilen, brauche ich noch etwas Zeit.“ Wenn er Holly jedoch so betrachtete, gefiel es ihm hier besser als sonst irgendwo auf der Welt. „Ich habe Ihnen ja schon gesagt, ich bin erst diese Nacht hier angekommen.“
Holly atmete tief durch. „Wollen Sie denn in England bleiben?“
„Das kommt darauf an, wie ich mich hier einlebe.“ Er kniff die Augen zusammen, als würde er geblendet. „Ich war sehr lange weg.“
Das klingt ja nicht gerade, als ob er von Woodhampton begeistert wäre, dachte sie. „Und was hat Sie zur Rückkehr bewogen?“
Er zögerte, weil er nicht wusste, wie viel er ihr über sich erzählen sollte. Die Erbschaft war für ihn völlig unerwartet gekommen, und er war sich noch nicht sicher, wie er damit nach außen hin umgehen sollte. Er war durch das viele Geld kein anderer geworden, wusste aber, dass einen die meisten Leute nach dem beurteilten, was man besaß, und nicht danach, was für ein Mensch man war. Besonders Frauen ließen sich seiner Erfahrung nach mehr durch die Höhe des Bankkontos als durch innere Werte beeindrucken.
Nicht dass er fürchten müsste, nur seines Reichtums wegen geliebt zu werden. Die Frauen liefen ihm hinterher, seit er achtzehn war. Auch in Zeiten, als er seine ganze Habe in einem Rucksack verstauen konnte und nur eine einzige Jeans besaß, hatte er jede Frau bekommen können, die er gewollt hatte. Dennoch war es ihm wichtig, dass Caroline und er sich schon gekannt hatten, als er noch Wildhüter gewesen war. Was dagegen Holly Lovelace über seine finanziellen Verhältnisse wusste, konnte ihm egal sein, denn sie war nur eine Zufallsbekanntschaft.
„Ich bin zurückgekommen, weil mein Onkel gestorben ist und mich zu seinem Alleinerben eingesetzt hat.“ Aus halb geschlossenen Augen beobachtete er, wie sie darauf reagierte.
Holly lachte. „Ich dachte immer, so etwas würde es nur im Roman geben.“
Er trank einen Schluck Tee. „Ich hatte auch nie damit gerechnet. Aber eines Morgens bin ich aufgewacht und war nicht mehr Aufseher in einem der schönsten Nationalparks Afrikas, sondern der Besitzer eines englischen Herrenhauses mit entsprechendem Grundbesitz und etlichen Immobilien – unter anderem dieser hier.“
„Vom Tellerwäscher zum Millionär?“
„So würde ich es nicht ausdrücken, obwohl ich jetzt zweifellos ein reicher Mann bin.“
Er konnte sich also leisten, wonach ihm der Sinn stand! Holly musste erkennen, dass er unerreichbar für sie war – was sie auch schon längst geahnt hatte. Männer wie Luke Goodwin konnte man mit der Lupe suchen. Er sah unwahrscheinlich gut aus, hatte eine athletische Figur, war
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